25 Mar 2013, Brussels, Belgium --- Brussels, Belgium, March 25, 2013. -- Managing Director (MD) of the International Monetary Fund (IMF) Christine LAGARDE (L) the Dutch Minister of Finance, President of the Council Jeroen DIJSSELBLOEM (C) and the EU Economic and monetary affairs and the Euro Commissioner Olli REHN (R) are talking to media at the end of an extraordinary Euozone Ministers meeting on Cyprus. --- Image by © Thierry Tronnel/Corbis

Zypern: EU diktiert Zwangsenteignung

Kontobesitzer auf Zypern werden zwangsenteignet. Die EU diktiert den Rettungskurs. Zyperns Souveränität ist nebensächlich. Eine beängstigende Entwicklung. 

Was muss eigentlich alles passieren, bis wir auf unserer eigene Vernunft hören, nicht auf die Slogans radikaler politischer Gruppierungen, auf die Straße gehen und gegen die jüngsten Entscheidungen der Europäischen Union demonstrieren?

Das EU-Hilfspaket für Zypern in der Höhe von 10 Milliarden Euro wird von allen Kontobesitzern auf Zypern mitfinanziert. Sparer mit Einlagen von mehr als 100.000 Euro müssen eine einmalige Abgabe von 9,9 Prozent zahlen, wer weniger Geld auf seinem Konto hat, der muss immer noch 6,75 Prozent von seinem Ersparten abgeben. Der jeweilige Geldbetrag wird über das Wochenende eingefroren, er steht dem Kontoinnhaber nicht mehr zur Verfügung. Insgesamt 5,8 Milliarden Euro sollen auf diese Weise für die „Rettung“ des zyprischen Bankensystems und Staatshaushalts und damit vor allem des gesamten EU-Krisenmanagements aufgebracht werden.

Wenn der Staat die Privatkonten seiner Bürger anzapfen muss, dann macht er das einfach. Und der Staat selbst legitimiert sein eigenes Handeln bzw. muss es legitimieren. Ansonsten gibt es kein EU-Hilfspaket, das Zypern vor dem Staatsbankrott rettet. Die führenden EU-Länder stellten Zypern vor die Alternative, entweder der Einlagenenteignung zuzustimmen oder aus dem Euro auszusteigen. Das offenbart immer deutlicher die Diktatur des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals. Die staatliche Souveränität des Inselstaates löst sich im selben Moment in Luft auf. Unter anderem haben der neue Chef der Euro-Gruppe Jeroen Dijsselbloem und EU-Kommissar Olli Rehn Zyperns Zepter übernommen. Dabei haben sich alle nach allen Seiten abgesichert und sich ihre Vorgangsweise sogar von Deutschalnds Kanzlerin Angela Merkel absegnen lassen. Ob Merkel selbst zu den treibenden Kräften zählte, darüber gehen die Meinungen auseinander. Bevor Zyperns Banken am kommenden Dienstag (Montag ist Feiertag) wieder öffnen, wird die Abgabe abgezogen. Der Rest des Geldes ist frei verfügbar. Die Zwangsabgabe der zypriotischen Kontobesitzer wird natürlich ausschließlich positiv formuliert:

Es handelt sich hier um eine einmalige Ausnahmeregelung. Wir alle wollen Zypern nur helfen!

Die Europäische Union hat die rote Linie eindeutig überschritten. Plötzlich müssen selbst die systemgläubigsten Bürger Europas erkennen, dass Brüssel künftig nicht davor zurückschrecken wird, die Finanz- und Schuldenkrise mithilfe unserer Privatkonten in den Griff zu bekommen. Brüssel wird enteignen, wenn Brüssel enteignen möchte. Das klingt unvorstellbar, weil es unserem gesamten Empfinden von Gerechtigkeit widerstrebt.

Das Misstrauen gegenüber der Europäischen Union ist mehr als nur berechtigt. Es lässt sich nicht mehr als undifferenzierte EU-Kritik abtun, es ist die logische Konsequenz aus der EU-Politik selbst. Natürlich werden Europas Politiker morgen wieder bemüht sein, zu berichtigen und zu beschwichtigen, und zu garantieren, dass alle Bankguthaben gesichert sind, dass es zu keinen Zwangsenteignungen (mehr) kommen wird. Doch wir wissen: Merkel und Schäuble, Feymann und Fekter müssen so argumentieren, um einen Ansturm auf Europas Banken zu verhindern. Im Moment bröckelt die Fassade, dass das Ersparte sicher ist, die Banken mit Einlagensicherungsmaßnahmen für die Einlagen geradestehen oder auch der Staat die Bankguthaben garantiert. Das war zu jeder Zeit nur schöner Schein.

Parallel dazu hat man uns in den letzten Jahren auch erfolgreich eingetrichtert, dass es gar keine Alternative mehr gibt: Der derzeitige Weg aus der Krise ist steinig und schwierig, aber noch immer leichter als das Ende der gemeinsamen Währung und ihre Folgen. Stimmt das wirklich? Wenn Europas Politiker so gut die düstere Zukunft ohne einer gemeinsamen Währung prognostizieren können, weshalb war es ihnen dann nicht möglich, die düstere Zukunft mit einer gemeinsamen Währung vorherzusehen? Alles auf eine solche oberflächliche Fragestellung zu reduzieren, ist – zugegebenermaßen – sicherlich zu einfach.

Aber Bankkunden im großen Stil zur Rettung eines Euro-Landes heranzuziehen, sollte uns nicht nur zu denken geben, eine solche diktatorische Maßnahme muss alle Europäer wach rütteln. Die zypriotische Zwangsabgabe auf Bankguthaben wird über kurz oder lang wohl auch in Mitteleuropa als letztes monetäres Aufgebot gegen den Staatsbankrott kommen. Ob wir das wollen oder nicht, diese Frage stellt sich schon lange nicht mehr.

Post Scriptum:

30 Millionen volljährige Bürger der Europäischen Union haben derzeit kein Bankkonto. Jeder EU-Bürger der 27 europäischen Länder soll den Plänen zufolge künftig ein Recht auf ein Girokonto haben, berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ vor knapp 2 Wochen unter Berufung auf einen Gesetzesentwurf von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier. Dem Bericht zufolge will Barnier bis Juni ein Gesetzespaket vorlegen, dessen Ziel es ist, „ein soziales Grundrecht“ durchzusetzen.

Nur interessant, dass solche „Grundrechte“ gerade jetzt überlegt werden.

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