Yemens Präsident Ali Abdullah Saleh wird bei einem Raketenangriff auf seinen Palast schwer verletzt. Als er in ein saudi-arabisches Krankenhaus geflogen wird, jubeln die Demonstranten in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa. Nun kehrt er überraschend in seine Heimat zurück. Die Lage im Jemen droht zu eskalieren.
So geteilt die Meinungen über den Jemen auch sind, in einem sind sich die Experten sicher: Einzig und allein die Droge Kath eint die Männer des Landes. Kath wird immer und überall gekaut, Kath wird auch überall gehandelt. Wie ein Grundnahrungsmittel. Die Kath-Blätter wirken euphorisch und gesellig zugleich. In den Abendstunden genießt man die Kath-Blätter auch gerne in großen Wasserpfeifen, ausgestreckt auf einem weichen Divan. Wenn die Sonne untergeht wird Sanaa zur Stadt der geschwollenen Backen.
Wer den Präsidenten in die Wüste schicken will, der zermahlt die Blätter während einer Demonstration im Mund. Obwohl Kath nicht viel zu tun hat mit den Demonstrationen im Jemen, wird diese Droge die Zukunft des Landes mitbestimmen. Zunächst einmal hat sie gesundheitliche Nebenwirkungen: Appetitlosigkeit, Schlafstörungen und Schleimhautentzündungen.
Die Kath-Plantagen, stellenweise baumhoch, sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Wasservorräte im Yemen langsam zu Ende gehen. Seit vierzig Jahren werden immer tiefere Brunnen gegraben um die Kath-Sträucher zu bewässern. Der Grundwasserspiegel ist seither dramatisch abgesunken. Die Hauptstadt Sanaa muss von Wasser-Tank-Lastwagen aus der Umgebung versorgt werden. Gleichzeitig sind die Kath-Plantagen eine unglaubliche Erfolgsgeschichte der jemenitischen Wirtschaft. Aber: Für nur ein Sack voll Kath (Tagesration 2000 bis 3000 Gramm) benötigt man rund 500 Liter Wasser. Der Grundwasserspiegel in der Hochebene von Sanaa sinkt jahrlich um vier bis sechs Meter ab. Der Raubbau wurde primär durch die steigende Nachfrage vorangetrieben, die daraus erwachsene Wasserproblematik war in weiterer Folge nur eines von vielen Probleme mit dem der amtierende Präsident Ali Abdullah Saleh zu kämpfen hatte, ehe er am 3. Juni 2011 bei einem Raketenangriff auf seinen Palast verletzt wurde.
Als Drahtzieher des Angriffs gilt Salihs Widersacher Scheich Sadik al-Ahmar. Er ist ein Führer des al-Ahmar-Clans und der Haschid-Stämme, die im Norden und Westen des Landes leben. Daß der Präsident ebenfalls zu einem Haschid-Stamm gehört, wirkt in keinster Weise versöhnend. Ähnlich verhält es sich mit der Beziehung zwischen Präsident Saleh und General Ali Mohsen al Ahmar. Obwohl die beiden Halbbrüder sind, hat sich der General im März auf die Seite der Demonstranten geschlagen. Als Grund gab er an, „daß in erster Linie der Präsident für die blutige Niederschlagung der Proteste am 21. März 2011 verantwortlich ist“. Damals wurden 52 Demonstranten erschossen.
Grundsätzlich handelt es sich um einen Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten, der zusätzlich dadurch an Bedeutung gewonnen hat, dass die meisten arabischen Länder einen zu großen Einfluss des schiitischen Islam unter der Federführung des Iran fürchten. Jemenitische Offizielle beschuldigten die Houthi-Kämpfer ( eine schiitische Rebellen) sich immer mehr dem Iran anzunähern. Die derzeitigen Auseinandersetzungen gehen auf das Jahr 2004 zurück. Damals wurde der schiitische Rebellenführer Hussein al-Houthi – er war auch Parlamentsabgeordneter – in einer Militäraktion getötet. 2007 beruhigte sich die Lage etwas und ein Friedensabkommen wurde unterzeichnet, das aber nie wirklich umgesetzt wurde. Ein Jahr später starteten Jemens Nachbarländer (in Doha/Qatar) eine neuerliche Friedensinitiative. Doch im August 2009 wurden alle Hoffnungen auf eine friedliche Lösung endgültig zerschlagen. Damals erklärte der Präsident, daß „die Houthi-Kämpfer keine Absicht haben Frieden zu schließen“ und er beschuldigte sie zudem „Häuser zu zerstören und Lebensmittellieferungen zu blockieren.“ Unter dem Namen „Eiserne Faust“ begann daraufhin die Militär-Kampagne, die bis heute anhält und deren Ende nicht abzusehen ist.
Völlig überraschend ist Präsident Saleh heute an Board eines Privatflugzeuges in den Jemen zurückgekehrt. Somit stehen die Zeichen im Jemen auf Bürgerkrieg.
____________
Der Jemen (536.869 km²; 24 Millionen Einwohner) gilt als eines der ärmsten Länder der Welt. Der Human-Development-Index (HDI) der Vereinten Nationen listet das panarabische Land auf Platz 153 (von 177). Die Lebenserwartung liegt bei knapp 62 Jahren, etwa 20 Prozent der Bewohner erleben ihren 40. Geburtstag nicht.