04 Sep 1996, Gaza Strip --- Yasser Arafat, President of the Palestinian National Authority, and Benjamin Netanyahu, the Israeli Prime Minister, at a summit meeting in Erez Checkpoint, between Israel and the Gaza Strip. --- Image by © Nadav Neuhaus/Sygma/Corbis

Wurde Jassir Arafat mit Polonium 210 vergiftet?

Der arabische Nachrichtensender Al-Jazeera berichtet, dass Jassir Arafat mit Polonium 210 vergiftet wurde. Schweizer Wissenschaftler haben Poloniumspuren auf der Kleidung des Toten gefunden. Arafats Leibarzt war sich immer sicher: „Arafat wurde mit HIV infiziert, er starb aber an den Folgen einer Vergiftung.“

Vor genau 101 Jahren, also 1911, erhielt Marie Sklodowska Curie den Nobelpreis für Chemie. Die polnische Physikerin arbeitete in erster Linie in Frankreich und untersuchte die 1896 von Henri Becquerel beobachtete Strahlung von Uranverbindungen. Der Ausdruck „radioaktiv“ stammt von ihr. Doch den Chemienobelpreis erhielt Curie für die Entdeckung und Beschreibung von Polonium (zusammen mit Radium). Um die weitere Erforschung dieses Elements in keinster Weise zu behindern, verzichtete sie auf die Patentierung des Gewinnverfahrens. Die größte Gefährdung stellt Polonium als Zerfallsprodukt des radioaktiven Edelgases Radon dar. Radon in der Atemluft erhöht das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken.

Alexander Walterowitsch Litwinenko ist heute der erste Name, der uns durch den Kopf geht, sobald wir „Polonium 210“ hören. Er war einer der schärfsten Kritiker des russischen Machtapparates. So beschuldigte er den russischen Geheimdienst FSB (Bundesagentur für Sicherheit der Russischen Föderation) zum Morden anzustiften. Gemeinsam mit anderen Geheimdienstagenten sollte Litwinenko den damaligen Sekretär des Staatssicherheitsrates, Boris Beresowski, töten. Als er die Öffentlichkeit über diesen Auftrag im Rahmen einer Pressekonferenz in Moskau 1998 informierte, besiegelte Litwinenko sein Schicksal.

Als auch seine Familie vom russischen Geheimdienst bedroht wurde, floh er nach London, wo er drei Jahre später politisches Asyl erhielt. Er arbeite als Journalist und Schriftsteller. Unterstützt wurde er zudem von Boris Beresowski, den er töten sollte und der zu dieser Zeit ebenfalls in London lebte. Alexander Litwinenko starb an den Folgen der durch Polonium verursachten Strahlenkrankheit. Kurz bevor er das Bewusstsein verlor, erklärte er gegenüber der Times, dass der Kreml für seinen Tod verantwortlich sei. Laut dem Daily Mirror arbeite der ehemalige KG-Agent und FSB-Offizier in London auch als MI-6 Agent. Wenige Stunden vor seinem Tod fanden die Mediziner große Mengen der radioaktiven Substanz Polonium-210 in seinem Urin.

Und wenn wir dem arabischen Nachrichtensender Al-Jazeera glauben, dann haben Schweizer Wissenschaftler (im Auftrag von Al-Jazeera) eine relativ große Menge von Polonium 210 auf der Kleidung des Friedensnobelpreisträgers und Palästinenserführers Yassir Arafat gefunden. Das Untersuchungsergebnis wurde vom Institut für Strahlenphysik in Lausanne veröffentlicht. Untersucht wurden verschiedene Kleidungsstücke, die Arafat in den Tagen vor seinem Tod getragen hatte. Gestorben ist er im November 2004 in einem Militärkrankenhaus im französischen Clamart, südlich von Paris.

Wurde Jassir Arafat ebenfalls mit Polonium 210 vergiftet? Selbst in israelischen Medien gab es immer wieder vereinzelt Hinweise darauf, dass Arafat bereits im Oktober 2004 bei einem Essen vergiftet wurde. Was aber immer eindeutig gegen eine Polonium-Vergiftung gesprochen hat, ist die Tatsache, dass die in Arafats Krankenakte erwähnten Krankheitssymptome keinen Rückschluss auf eine Vergiftung mit Polonium 210 zulassen. Deswegen geht Al-Jazeera auch schon zu weit, wenn der Nachrichtensender berichtet, der Tod des Palästinenser-Führers sei auf eine Vergiftung mit Polonium zurückzuführen. Natürlich: Es gibt immer noch die Möglichkeit, dass die offiziellen Krankenakte nicht vollständig waren.

Aschraf Kurdi arbeitete im jordanischen Gesundheitsministerium, bevor er Arafats Leibarzt wurde. Kurz nach dem Tod des Palästinenserführers gab er Al-Jazeera ein Live-Interview. Sobald er HIV in Verbindung mit dem Palästinenserführer erwähnte, wurde die Ausstrahlung jedoch abgebrochen. Das berichtete damals die israelische Tageszeitung „Ha´aretz“. Nach Kurdis Darstellung wurde das HIV-Virus erst kurz vor Arafats Tod in dessen Blut injiziert. Die eigentliche Todesursache sei allerdings Gift gewesen. Warum er als Leibarzt eine Autopsie von Arafats Leichnam forderte, erklärte Aschraf Kurdi der jordanischen Nachrichten-Webseite „Amman“:

„Arafats Tod ist sehr verdächtig. Normalerweise wurde ich aufgefordert, sofort zu Arafat zu kommen, selbst wenn er nur eine einfache Erkältung hatte. Aber als sich seine medizinische Situation wirklich verschlechterte, beschlossen sie, mich überhaupt nicht zu rufen.“

Arafats Gesundheitszustand verschlechterte sich dramatisch in der Nacht zum 28. Oktober 2004. Wegen einer Entzündung im Verdauungstrakt hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits zehn Tage lang nichts mehr gegessen. Deshalb wurde er auch nach Paris geflogen. Am 4. November fiel er in ein tiefes Koma. Nieren und Leber versagten. Arafat war von lebenserhaltenden Maschinen abhängig. Bis zu seinem Tod am 11. November: Infolge der Leberschädigung und der daraus resultierenden Störung der Synthese der Blutgerinnungsfaktoren kam es zu einer Gehirnblutung. Ob auch in seinem Urin Spuren der radioaktiven Substanz Polonium 210 gefunden wurden, ist nicht bekannt.

„Jeder Arzt würde Ihnen erzählen, dass es sich um Symptome einer Vergiftung handelte“, erklärte Arafats Leibarzt in einem Gespräch mit Ha´aretz am 9. September 2005.

Witwe Suha Arafat möchte nun die Leiche exhumieren lassen.  Berichte, sie hätte nach dem Tod ihres Mannes eine Autopsie abgelehnt, wies die Witwe zurück. Dies sei ihr damals von den Ärzten gar nicht vorgeschlagen worden.

Der Spiegel: „So heimtückisch tötet Polonium-210“

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