Der deutsche Bundespräsident Christian Wulff ist zurückgetreten. Gestern forderte die Staatsanwaltschaft die Aufhebung seiner Immunität. Herr Wulff stolpert über seine Glaubwürdigkeit und über das Misstrauen der Deutschen.
Es gibt einen „Anfangsverdacht“. So komisch das auch klingen mag, aber der Staatsanwaltschaft in Hannover ist es ernst. Sie meint nämlich, dass es „einen Anfangsverdacht wegen Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung gibt.“ Und das, nachdem alle relevanten Medienberichte einer genauen Prüfung unterzogen worden waren. Leichtfertig ist die Staatsanwaltschaft Hannover nicht zu diesem Schluss gekommen, denn es geht um den 1. Mann im Staate Deutschland: Herrn Christian Wulff. Er war früher Ministerpräsident von Niedersachsen. Nun soll seine Immunität aufgehoben werden, denn es muss sichergestellt werden, dass alle Bürger vor dem Gesetz gleich sind. Und genau deswegen ist zu erwarten, dass auch die deutsche Regierungskoalition Herrn Wulff nicht länger stützen kann, und einer Aufhebung seiner Immunität im Deutschen Bundestag zustimmen muß. Die nächste Sitzungswoche beginnt am Montag, den 27. Februar.
Was hat nun den Ausschlag gegeben? Herr Christian Wulff hat ja schon viel durchgestanden, wenn auch nicht wirklich überstanden. Er ist und bleibt ein unkluger Taktiker. Ein „Salamitaktiker“, wie viele meinen. Angelastet wird ihm die Inanspruchnahme eines günstigen Privatkredits für sein Haus, billiges Autoleasing und kostenlose Urlaube bei Unternehmern. Mit ihnen hatte er auch geschäftlich zu tun. Und zwar als er Ministerpräsident von Nierdersachsen war: also von 2003 bis 2010. Einer dieser Unternehmer war ein gewisser Herr David Groenewold.
„Das Wunder von Lengede“ ist ein Film über das Schicksal von verschütteten Bergleuten. Vergleichbar mit dem Grubenunglück in San Jose (Chile), das ein so glückliches Ende nahm. Und bei den Dreharbeiten zu “ Das Wunder von Lengede“ im niedersächsischen Goslar, haben sich Herr Wulff und Herr Groenewold kennengelernt. Der eine war damals Ministerpräsident, der andere Filmfinanzier mit einem eigens aufgelegten Medienfonds (GFP). Aus der Bekanntschaft wurde schnell eine Freundschaft. Der deutsche Film und seine Finanzierung werden zu einem persönlichen Anliegen von Ministerpräsident Wulff.
Er versucht mehr staatliche Unterstützung und auch mehr private Gelder in Richtung deutscher Filmindustrie zu lenken: „Ich würde es begrüßen, wenn es eine Regelung gäbe, die Investoren Anreize bietet, um Privatkapital zielgerichtet in deutsche Produktionen zu lenken“, erklärte Wulff und erwähnt zudem den Fonds seines Freundes David Groenewold. Und dann gewährte die niedersächsische Landesregierung einer Firma Groenewolds sogar eine Bürgschaft von vier Millionen Euro, die aber nie in Anspruch genommen wurde. Groenwold bedankt sich mit Geldspenden an die Junge Union bzw. an die CDU und lässt 2007 mit folgender Presseerklärung aufhorchen:
„Den Standort Niedersachsen haben wir für unsere Firmengründung ganz bewusst gewählt, da hier Ministerpräsident Christian Wulff mit viel persönlichem Einsatz wichtige Impulse für die Weiterentwicklung der Medienwirtschaft gibt und damit optimale Voraussetzungen für Investitionen und neue Arbeitsplätze schafft.“
Im Hotel „Stadt Hamburg“ auf Sylt verbringen der Filmproduzent und der Ministerpräsident 2007 drei gemeinsame Urlaubstage. Herr Wulff wurde nicht wirklich eingeladen. Er hat seinem Freund am Tag der Abreise alle Ausgaben in bar zurückerstattete. Ob das stimmt oder nicht, ist völlig irrelevant. Deutschlands Medien berichten seither von den eigenartigen Verschleierungsversuchen der beiden Freunde. Sie haben zu mehr Stirnrunzeln geführt als die Enthüllungsgeschichten der deutschen Bild-Zeitung:
Groenewold legt dabei auch eine Bestätigung des Hotels vor. Darin heißt es, er habe zu keinem Zeitpunkt gebeten, die Unterlagen zu seinem Aufenthalt „in unserem Haus zu vernichten, zu manipulieren oder Ähnliches“. Der Bundespräsident schickt wiederum seinen Anwalt ins Rennen, der erneut bekräftigt, sein Mandant habe die Kosten „in voller Höhe selbst bezahlt“.
Endgültig entlasten sollte den Bundespräsidenten das Stück Papier „Landesbürgschaften für die Filmbranche“. Vor allem aber der persönliche Vermerk von Christian Wulff: „Bei allen Aktivitäten im Zusammenhang mit D. Groenewold bitte äußerste Zurückhaltung, um jeglichen Anschein von Nähe zu vermeiden.“
Entlastet dieser Vermerk Herrn Christian Wulff? Wenn ja, dann sicherlich nicht ausreichend. Denn dieser Vermerk stammt aus dem Jahr 2009. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich private und dienstliche Interessen bereits miteinander vermengt. Zwischen dem gemeinsamen Urlaub auf Sylt im Jahr 2007 und der Bürgschaftszusage der niedersächsischen Landesregierung vergehen nur wenige Monate. Der Verdacht der Vorteilsannahme liegt nahe. Deshalb möchte die Staatsanwaltschaft Hannover, dass die Immunität des Bundespräsidenten aufgehoben wird.
Niemand darf und soll vorverurteilt werden. Trotzdem hatte Bundespräsident Chrsitian Wulff heute keine andere Chance als zurückzutreten. Dabei ist er über seine Glaubwürdigkeit und über das Misstrauen der Bürger gestolpert. Er war der 10. Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland (vom 30. Juni 2010 bis zum 17. Februar 2012).