07 Jan 2016, Seoul, South Korea --- January 6, 2016 - South Korea, Seoul : Protesters carried a mock North Korean missile during a protest denouncing North Korea's missile test. North Korea said it had successfully conducted a test of a miniaturized hydrogen nuclear device on Wednesday morning, marking a significant advance in the isolated state's strike capabilities and raising alarm bells in Japan and South Korea. (Photo by Seung-il Ryu/NurPhoto) --- Image by © Seung-il Ryu/NurPhoto/Corbis

Was steckt hinter Nordkoreas Raketenprogramm?

Nordkorea plant den Start einer Langstreckenrakete für Mitte Dezember. Was steckt hinter dem Raketentestprogramm? Eine echte militärische Bedrohung oder politisches Kalkül?

Sobald Nordkorea Raketentests ankündigt, stellt sich sofort die Frage, ob es sich primär um einen politischen Schachzug handelt oder um einen erstzunehmenden Schritt im Rahmen seines Technologieprogramms? Auf jeden Fall müssen wir auf unsere politische Vernunft hören, die uns sagt, dass es ein Fehler wäre, Nordkorea zu unterschätzen. Auch wenn die Raketentests im letzten April an Peinlichkeit kaum zu überbieten waren: Die Trägerrakete Unha-3 explodierte nach 100 Sekunden und stürzte 165 Kilometer westlich der südkoreanischen Hauptstadt Seoul ins Meer. Die größte Sensation war damals, dass selbst das Informationsministerium in Pjöngjang diesem missglückten Raketentest nichts Positives abgewinnen konnte. Es gab sich ungewohnt wortkarg und fantasielos. Keine wirklich einleuchtende Erklärung war zu hören. Nordkoreas Propaganda- und Verherrlichungsmaschinerie ist an diesem Tag gewaltig ins Stocken geraten.

Ein ernst zu nehmendes Raketenprogramm stützt sich auf regelmäßige Tests. Nordkorea hat insgesamt nur drei Versuche der Satellitenträgerrakete „Taepodong-2“ vorgenommen, die das Regime in Pjöngjang „Unha-2“ bzw. „Unha-3“ nennt. Alle Tests wurden ausschließlich an politischen Jubel- und Jahrestagen durchgeführt. Auch der für Mitte Dezember vorgesehene Raketenstart soll zunächst einmal den 1. Todestag von Kim Jong-il zu einem unvergesslichen Ereignis machen und den Erzfeind Südkorea am Tag seiner Präsidentenwahl (19. Dezember) an seinen unbezwingbaren Bruder – die Militärweltmacht Nordkorea – erinnern.

Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass Nordkorea bis zum heutigen Tag kein einziges selbst entwickeltes Raketenmodell erfolgreich getestet hat. Alle Bemühungen, die im Ausland gekauften Raketen nachzubauen, sind bis zum heutigen Tag kläglich gescheitert. Jeder Raketenstart (versuch) hat immer wieder neue, haarsträubende Fehler mit sich gebracht, die darauf hindeuten, dass Nordkoreas Raketenprogramm eher rückläufig ist. Die Veränderungen, die Nordkoreas Raketenexperten jedes Mal vornehmen, zeigen deutlich, dass sie nicht wirklich verstehen, was beim letzten Test schiefgelaufen ist. Als Unha 3- im April 2012 über dem Meer abstürzte brannte immer noch die erste Stufe der Rakete, der robusteste Teil einer mehrstufigen Langstreckenrakete.

Alle Raketenteile aus Nordkorea, die im Ausland in den letzten Jahren auftauchten, wurden von Experten als „außergewöhnlich minderwertig“ bezeichnet. Dabei könnte die „Taepodong 2“ mit einer Reichweite von etwa 6000 Kilometern theoretisch sogar die Westküste der USA erreichen. Immer unter der Voraussetzung, dass ein dementsprechendes Raketentechnologieprogramm mitsamt den erforderlichen Tests und dem notwendigen „Know How“ auch konsequent umgesetzt wird. Es gibt keinen einzigen Hinweis, dass Nordkorea ernsthaft und gleichermaßen erfolgreich an einer Interkontinentalrakete forscht bzw. herumbastelt. Eine Studie des renommierten „International Institute for Strategic Studies“ (IISS) kommt sogar zu dem Schluss, dass das Raketentechnologieprogramm eher Bestandteil einer politischen Verhandlungsstrategie ist. Es soll zu diplomatischen Zugeständnissen führen.

Nach dem letzten Test-Desaster musste eine pompöse Militärparade die Raketenschmach vergessen machen. Die einzigartige Parade vom 15. April sollte irgendwie der ganzen Welt erneut deutlich machen, mit Nordkorea ist nicht zu spaßen. Dieses Land kann seinen Drohgebärden jederzeit Taten folgen lassen. Doch als Militär- und Waffenexperten aus München die Fotos der Militärparade genauer unter die Lupe nahmen, stellte sich heraus, dass es sich bei den vorgeführten Interkontinentalraketen um schlecht zusammengesetzte Attrappen handelt. Dabei könnten so große dreistufige Raketen, die bei dieser Parade gezeigt wurden, durchaus eine Reichweite von bis zu 10.000 Kilometern erreichen. Doch sie passten nicht einmal auf die Starttische. Was die Attrappentheorie zusätzlich unterstützt, waren folgende Analyseergebnisse:

* Die bei der Militärparade am 15. April gezeigten Raketen sind nicht identisch. Abdeckungsteile sind bei den Raketen in unterschiedlichste Richtungen gedreht.

* Die Sprengkopfoberfläche einer ballistischen Rakete muss beim Wiedereintritt in die Atmosphäre gewaltigen Temperaturen standhalten können. Die Metallschicht der Sprengköpfe war bei den vorgeführten Raketen allerdings nur aus sehr dünnem, gewelltem Metall.

* Zudem gab es bei den gezeigten Raketen keinen Trennungsmechanismus zwischen dem Sprengkopf und der dritten Raketenstufe.

* Den Raketen, die präsentiert wurden, liegt eine Kombination aus Flüssig- und Feststoffmotoren zugrunde. Das wäre eine revolutionäre Weltneuheit!

Auch bei den exportierten Waffen „Made in Nordkorea“ handelt es sich vor allem um umetikettierte Sowjet-Ware teilweise mit kyrillischen Buchstaben versehen. Und bei den wenigen Raketentests werden veraltete Sowjet-Raketen verwendet.

Satellitenfotos haben verdeutlicht, dass Nordkorea derzeit Vorbereitungen für einen weiteren Raketentest trifft. Die erste Stufe der dreistufigen Trägerrakete sei an der Startrampe in Sohae an der Westküste aufgestellt worden. Das berichtete die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap gestern unter Berufung auf Regierungskreise in Seoul. Selbst Russland und China möchten, dass die Vorbereitungen abgebrochen werden. Japan hat seine Patriot-Abwehrraketen in Stellung gebracht.  Beim vorletzten Test im Mai 2009 schaffte es die nordkoreanische Rakete immerhin 3800 Kilometer weit und überflog sogar Japan, ehe sie im Meer verschwand. Ob zumindest diese erste Phase plangemäß verlief, wissen wir nicht, weil Nordkorea im Vorfeld seiner Raketentests nie die geplante Flugbahn angibt.

Die Gefahr, dass Nordkorea aus seinem politischen Ehrgeiz heraus erneut eine Rakete abschießt, die seine Experten weder steuern noch kontrollieren können, ist vermutlich größer als der schnelle Aufstieg zu einer ernst zu nehmenden Militärmacht.

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