22 Oct 2004, Russia --- Soviet aircraft carrier "Admiral Kuznetsov" returns to the port of Severomorsk, the largest dry dock in the Kola Peninsula, after having performed his mission. | Location: SEVEROMORSK, Russian Federation. --- Image by © Fedoseyev Lev/ITAR-TASS/Corbis

Syrien: Das russische Kalkül

Russland und China verhindern eine Syrien-Resolution im UN-Sicherheitsrat. Russische Kriegsschiffe sind im syrischen Hafen Tartus eingetroffen. Auch der Flugzeugträger „Admiral Kusnezow“ hat Stellung bezogen. Warum unterstützt Moskau den syrischen Staatschef al-Assad wirklich?

Am 4. Dezember des letzten Jahres verlässt das Wachschiff „Ladny“ den Hafen Sewastopol. An Bord befindet sich eine russische Antiterroreinheit, die aus einer Sonderbrigade der Marineinfanterie gebildet wurde. Die „Ladny“ gehört zur russischen Schwarzmeerflotte und nimmt Kurs auf das Mittelmeer. Hier ist sie vor wenigen Tagen mit der Schiffstruppe der Nord- und Ostseeflotten zusammengetroffen. Noch im Dezember hatte die russische Militärbehörde behauptet, dass die „Ladny„- während der Übungen im Mittelmeer – „keinen syrischen Hafen anlaufen wird.“

Tartus ist die zweitgrößte Hafenstadt Syriens. Der kleine Fischhafen liegt im Stadtgebiet, der große Haupthafen einen Kilometer nördlich in El Mina. Hier unterhält Russland einen kleinen Marine-Stützpunkt mit rund 600 Mann. Russlands einziger Stützpunkt im Mittelmeer ist gleichzeitig die einzige russische Basis im Nahen Osten. In Tartus ist mittlerweile nicht nur der gesamte russische Flottenverband, der an den Mittelmeer-Manövern teilnahm mitsamt dem Wachschiff „Ladny“ eingelaufen, auch  die „Admiral Kusnezow“  liegt hier vor Anker.

Die „Admiral Kusnezow“ ist Russlands einziger Flugzeugträger. Ein wahrer Gigant mit 2000 Mann Besatzung, Kampfflugzeugen und Helikoptern. Die bordeigene Bewaffnung ist deutlich schlagkräftiger als die vergleichbarer Flugzeugträger. Als sich die Sowjetunion 1991 auflöste, floh die „Admiral Kusnezow“ in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus den ukrainischen Gewässern, um einer drohenden Beschlagnahmung durch die Behörden zu entgehen. Die Ukraine erhob damals Anspruch auf eine eigene Marine.

Das derzeitige Großaufgebot an russischen Kriegs-Schiffen vor den Toren Syriens ist einzigartig. Nach offiziellen russischen Angaben handelt es sich „nur um einen unpolitischen Routinebesuch.“ Dabei möchte die russische Marine in erster Linie „Vorräte aufladen“. Syrische Medien, vor allem die syrische Nachrichtenagentur Sana, vermitteln allerdings ein anderes Bild: Moskaus Kriegsschiffe wurden in Syrien mit allen Ehren empfangen. Syriens Verteidigungsminister Dawud Radschiha reiste persönlich nach Tartus und bezeichnete die russischen Kriegsschiffe als „eine Demonstration großer Solidarität“.

Für Russland ist und bleibt Syrien ein sehr wichtiger Partner. Politisch und wirtschaftlich. Nach dem Sturz von Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi ist die Zahl der russischen Verbündeten für den Nahen Osten weiter geschrumpft. Es bleiben nur noch Algerien und eben Syrien. Staatschef  Baschar al-Assad gilt zudem als zahlungskräftiger Kunde: In einem Bericht der Fachzeitschrift „Moscow Defense Brief“ wird dargelegt, dass Syrien Flugzeuge, Boden-Luft-Raketen und Artillerie „Made in Russia“ im Gesamtwert von 3,5 Milliarden Euro kaufen möchte. Bereits im Dezember ist die erste Lieferung von „Jachont“-Raketen in Damaskus eingetroffen:

Die Konstrukteure dieser Anti-Schiffs-Rakete gingen davon aus, daß auf einer Distanz von 300 km der Gegner den Start dieser Rakete durchaus mitbekommen kann und auch Abwehrmaßnahmen einleiten wird. Doch sobald die Rakete in der Luft ist, ist sie kaum erfassbar und somit schwer umzulenken. Dank ihrer Geschwindigkeit von 750 m/s und der komplexen taktischen Manöver, die die „Jachont“ während des Fluges ausführt, erreicht sie fast immer ihr Ziel. In keiner Flotte der Welt gibt es Mittel einer effektiven Verteidigung vor dieser russischen Rakete.

Und genau deswegen hat Israel vehement versucht, den Verkauf dieser modernen Anti-Schiff-Lenkwaffen an Syrien zu verhindern. Ohne Erfolg. Dass das russische Interesse an Syrien vielseitig ist, zeigt auch die Tatsache, dass das russische Mineralölunternehmen Tatneft in Syrien ein neues Ölfeld erschließen möchte. Voraussichtliches Investitionsvolumen: 10 Milliarden Euro. Tatneft gehört zu den größten Erdöl- und Erdgasproduzenten in Russland.

So schnell wird Russland Syrien also nicht fallen lassen. Zu wichtig sind die politischen Überlegungen des Kremls und sein wirtschaftliches Kalkül. Die moralischen Aspekte sind und bleiben sekundär. Zudem darf sich aus russischer Sicht, ´Libyen´ nicht wiederholen: Denn als Gaddafi mit äußerster Brutalität gegen die Revolutionäre in seinem Land vorging, verzichtete Moskau auf sein Veto im UN-Sicherheitsrat. In weiterer Folge kamen die Rebellen mit der Hilfe des Westens an die Macht.

Russland verlor nicht nur einen politischen Verbündeten, sondern auch mehrere Milliarden an Rüstungs- und Wirtschaftsaufträgen.

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