Rumänien, Haus der Volkspartei © pixabay

Rumänien: Der unkluge Selbstmordversuch des Ex-Premiers

Adrian Nastase (62), Rumäniens Ex-Ministerpräsident, wurde verurteilt und sollte bereits im Gefängnis sitzen. Doch er liegt im Spital, weil eine Revolverkugel aus seinem Hals entfernt werden musste. Was ist passiert, als ihn die Polizisten von seiner Wohnung abholen wollten? 

Das Revolver-Modell No.3 von Smith & Wesson verfügte über einzigartige Erneuerungen: Die gesamte Trommel konnte vollständig aus dem Revolver gelöst und somit schnell wieder geladen werden. Außerdem wurden die leeren Patronenhülsen erstmals automatisch aus der Trommelkammer entfernt. Beide Erneuerungen waren 1870 so revolutionär, dass Smith & Wesson 130.000 Stück dieser Waffe in das zaristische Russland verkauften. Doch der endgültige Durchbruch gelang dem Waffenhersteller mit dem Double Action Revolver im Jahr 1886. Kaliber 32 und 38 wurde insgesamt eine Million Mal verkauft.

Smith & Wesson haben ihren Sitz in Springfield (Massachusetts) und sind Nordamerikas größter Hersteller von Handfeuerwaffen geworden. Doch hier werden auch andere Ausrüstungsgegenstände für Polizei und Sicherheitsdienste hergestellt: Messer und Handschellen, Fußfesseln und Fahrräder. Alles besticht durch hohe Qualität und lange Haltbarkeit. Auch Rumäniens ehemaliger Premierminister, Adrian Nastase, besitzt einen Revolver Kaliber 38 von Smith & Wesson. Er liegt immer griffbereit in der obersten Schreibtischlade im Arbeitszimmer seiner Bukarester Wohnung.

Das rumänische Fernsehen ist live dabei, als zwei Polizisten letzte Woche an seiner Wohnungstür läuten. Sie sollten den Ex-Premierminister ins Gefängnis überstellen. Er wurde wenigen Stunden zuvor rechtskräftig zu zwei Jahren Haft verurteilt.  Wegen illegaler Parteienfinanzierung. Höflich bat Nastase die beiden Beamten zu warten und begab sich in sein Arbeitszimmer. Er wollte noch ein paar Bücher einpacken. Als er nicht wiederkam, folgten ihm die Polizisten und erblickten Nastase mit einem Smith & Wesson Revolver in der Hand. Nastase richtete die Waffe gegen sich selbst und drückte ab. Die Kugel blieb stecken. Zwischen Halsansatz und Schlüsselbein.

„Er hat Glück gehabt“, erklärte der Chirurg Ioan Lascar, „weil keine lebenswichtigen Organe getroffen wurden.“ Deshalb wurde Nastase auch erst am nächsten Tag operiert. Seither weigert sich das Krankenhaus, seinen bekanntesten Patienten für „haftfähig“ zu erklären. Mehr Sorgen als die Schussverletzung bereiten den Ärzten angeblich die Herzkrankheit und die Zuckerkrankheit. Nastases Anwalt rechnet nun sogar mit einem Haftaufschub von drei Monaten. Mittlerweile hat die Polizei auch die Staatsanwaltschaft über Nastases Suizidversuch informiert.

Doch am letzten Dienstag sind erstmals Zweifel aufgekommen. Und die Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen die Polizisten, die Nastase ursprünglich in die Gefängniszelle bringen sollten. Und gegen den verantwortlichen Arzt: Serban Bradisteanu steht dem Ex-Regierungschef sehr nahe. Gegen ihn wird schon sehr lange wegen Veruntreuung von Geldern ermittelt. Arzt und Polizeibeamte werden nun verdächtigt, einem Straftäter geholfen zu haben. Der Selbstmordversuch könnte von Nastase vorgetäuscht worden sein, um nicht ins Gefängnis zu müssen. Schließlich hat kein einziger der Journalisten, die vor Nastases Wohnung auf dessen Abführung gewartet haben, auch nur einen Schuss gehört.

Adrian Nastase war und ist ein hervorragender Netzwerker. Doch seine Vorgansweise war oftmals zu durchsichtig und deshalb einfach unklug:

Als Jurastudent hatte sich der Sohn eines königlichen Offiziers mit der Tochter eines verstorbenen Außenministers befreundet. Als der Ruhm von Diktator Nicolae Ceaucescu verblasste, wurde auch der Kontakt zur Familie des Außenministers und zu seiner Tochter unwichtig. Nastase ließ sie fallen.

Einzigartig und fast schon legendär wurde der Fall der Tante Tamara: Die Korruptionsbehörde besaß ein Dossier über Nastases Ehefrau Dana, die ein Konto mit 400 000 Dollar eröffnet hatte. Ihr Ehemann war gerade ein paar Tage Premierminister, schon wurde der Chef dieser Behörde ersetzt. Das Dossier verschwand. Nach der Herkunft des Geldes befragt, verwies Nastase auf eine alte Tante seiner Frau, die angeblich eine Erbschaft hinterlassen hatte.

Die vierjährige Ära (2004-2008) von Premierminister Adrian Nastase gilt bis zum heutigen Tag als die korrupteste Zeit in der Geschichte Rumäniens. Alle Verfahren gegen den mächtigen Sozialdemokraten offenbarten einen tiefen Einblick in seine korrupten Machenschaften. Ob er nun tatsächlich im Gefängnis landet, ist keineswegs sicher. Obwohl er rechtskräftig verurteilt wurde.

Victor Ponta ist seit 7. Mai 2012 Rumäniens neuer Premierminister. Er gilt als Nastases politischer Ziehsohn. Bis jetzt hat Ponta noch keinen Kommentar zum unklugen Selbstmordversuch des Ex-Premiers abgegeben.

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