Ein Jahr nach dem Tod Osama Bin Ladens wurden seine drei Ehefrauen mitsamt den Kindern freigelassen. Pakistan hat sie letzte Nacht abgeschoben.Vermutlich sind sie bereits in Saudi Arabien. Ihr Wissen über Bin Laden und al-Qaida hat einen unschätzbaren Wert. Werden sie reden oder schweigen?
Seit einem Jahr herrscht diplomatische Eiszeit zwischen den USA und Pakistan. Das amerikanisch-pakistanische Verhältnis war aber schon immer sehr undefinierbar: Die Atommacht Pakistan war in den Augen der Vereinigten Staaten zeitweise eine geachtete dann wieder eine verachtete politische Kraft, die bis zum heutigen Tag sehr schwer einzuschätzen ist. Nie aber unterschätzt werden darf. Auch um die tickende Zeitbombe Kaschmirkonflikt, wenn nötig, schnell wieder entschärfen zu können.
Doch seit 9/11 definiert sich dieses Verhältnis sehr stark über die Bereitschaft Pakistans, al-Qaida aufzuspüren und auszulöschen. Vor allem im zerklüfteten, unwirtlichen Grenzland zu Afghanistan. Mithilfe des pakistanischen Geheimdienstes ISI (Inter-Services Intelligence) und mithilfe des pakistanischen Militärs. Beide Kräfte sind in Pakistan nicht voneinander zu trennen und wirken nur auf den ersten Blick bedingungslos loyal gegenüber der politischen Führung bzw. gegenüber dem Oberbefehlshaber. In Wirklichkeit sind sie von verschiedensten islamischen Bewegungen unterlaufen. Die Macht und die Stellung der pakistanischen Armee eröffnen ihr einen eigenen politischen Spielraum, auf den die hohe Politik in Islamabad so gut wie keinen Einfluss hat.
Bedenken wir, dass Osama bin Laden, der meistgesuchte Terrorist, nur wenige Hundert Meter von der renommierten Militärakademie Kakul gelebt hat. Rund herum befinden sich noch unzählige andere Kasernen. Dass sowohl Pakistans Militär als auch der Geheimdienst ISI nichts davon wussten, ist sehr schwer zu glauben. Die USA vermuten sogar, dass vor allem der Geheimdienst, Osama Bin Laden oftmals geholfen hat, wann immer die Bin Ladens ihr Versteck wechselten. Bis er in der Nacht auf den 2. Mai 2011 letztendlich im nordpakistanischen Abbottabad im Stadtteil Bilal Town von den US Navy Seals gestellt und erschossen wurde. In einer großen, eher schmucklosen Villa auf einem 3500-Quadratmeter-Anwesen. Bei diesem Einsatz hatten die Amerikaner einen Hubschrauber verloren. So konnten nur die Soldaten ausgeflogen werden. Die Familienmitglieder von Osama bin Laden wurden gefesselt zurückgelassen. Unter ihnen auch die jüngste Ehefrau: Amal Ahmed Abdulfattah (30). Ihr wurde von dem US-Kommando ins Bein geschossen als sie Osama bin Laden zu Hilfe kommen wollte.
Osama bin Laden hatte insgesamt sechs Mal geheiratet. Von drei Frauen trennte er sich allerdings vorzeitig. Neben Amal Ahmed Abdulfattah, die im Jemen geboren wurde, lebten mit ihm noch die Sprachwissenschaftlerin Siham Saber und die Kinderpsychologin Khairiah Saber. Khairiah Saber war seine älteste Ehefrau und auch um sieben Jahre älter als ihr Ehemann. Sie unterrichtete zeitweise taube Kinder. Und: Sie duldete Osama bin Laden nur noch. Es gibt sogar Gerüchte, sie habe ihren Mann an die Amerikaner verraten.
Alle drei Witwen wurden mitsamt den acht Kindern und dem einen Enkelkind nach dem Angriff der amerikanischen Sondereinheit dem pakistanischen Geheimdienst ISI übergeben. Sie wurden unter Hausarrest gestellt und lebten fast ein Jahr lang am Stadtrand der pakistanischen Hauptstadt Islamabad. Vor allem die drei Witwen wurden mehrmals einvernommen. Auch von amerikanischen Geheimdienstmitarbeitern. Obwohl sich Pakistan sehr lange dagegen gewehrt hat. Aus Angst, die Frauen könnten Dinge ausplaudern, die ein Nahverhältnis zwischen Osama bin Laden und dem pakistanischen Geheimdienst bzw. dem Militär ans Tageslicht bringen. Doch nur Amal Ahmed Abdulfattah, die jüngste Witwe, hat in den letzten Monaten bereitwillig Auskunft gegeben. Die beiden anderen hüllten sich in Schweigen. Dabei hat ihr Wissen unschätzbaren Wert. Ihre Erzählungen lassen sich einer neugierigen Weltöffentlichkeit um mehrere Millionen Dollar verkaufen.
Alle drei Frauen und ihre Kinder haben vor wenigen Stunden Islamabad verlassen. Pakistan hat sie um Mitternacht – so wird vermutet – nach Saudi Arabien abgeschoben. Ihr Anwalt Aamir Khalil lässt verlautbaren:
„Sie sind frei, weil sie unschuldig sind. Künftig steht es ihnen auch frei, zu reden. Mit wem sie wollen und worüber sie wollen. Vor ihrer Abreise aus Pakistan wollten sie sich aber nicht an die Öffentlichkeit wenden.“
Es wird erwartet, dass die beiden älteren Witwen ruhig und zurückgezogen in Saudi Arabien leben möchten. Die jüngste, Amal Ahmed Abdulfattah, wird bald in den in ihre Heimat Jemen weiterfliegen. Wie viel sie künftig über ihr Leben mit Osama bin Laden und al-Qaida erzählen wird, bleibt abzuwarten. Sie hat mit dem Terrorchef drei Kinder. Insgesamt soll Osama bin Laden mindestens 24 Kinder mit fünf Frauen gehabt haben. Eine der Töchter Bin Ladens ist angeblich mit dem Talibanführer Mullah Omar verheiratet.
Osama bin Ladens Leichnam wurde, nach amerikanischer Darstellung, dem Meer übergeben.