Nordkorea plant, einen Satelliten ins All zu schießen. Die Trägerrakete „Unah-3“ wird Mitte April von der neuen Raketenbasis Tongchang-ri starten. Zu Ehren des ewigen, aber längst toten Präsidenten. Japan möchte die Trägerrakete abschießen. Nordkorea droht mit Vergeltung.
Nordkoreas neue Raketenbasis Tongchang-ri liegt ganz im Nordwesten des Landes, nur 56 Kilometer von der chinesischen Grenze entfernt. Sie ist fünf Mal größer als die alte Raketenbasis Musudan-ri in der Provinz Hamgyeong. Von der alten Basis ist im April 2009 die Rakete „Taepodong-2“ abgefeuert worden. „Taepodong-2“ ist der Codename für eine nordkoreanische Interkontinentalrakete.
Doch genau genommen hat diese Rakete sehr viele verschiedene Namen, es kommt nur darauf an, was die Führung in Pjöngjang feiern möchte: Einen Jahres- oder Todestag, einen Geburtstag oder gar einen Hochzeitstag? Die Rakete wird dann kurzerhand nach dem Jubilar, seiner neuen Ehefrau, nach seinem ältesten oder jüngsten Sohn oder nach dem Ort des wundervollen Ereignisses benannt. Alles ist möglich. Natürlich auch ein Doppelname.
Ein Blick auf den nordkoreanischen Geburtstagskalender verrät, bald wird es wieder sehr feierlich zugehen in der kommunistischen Enklave. Denn am 15. April wird Nordkorea den 100. Geburtstag seines ewigen Präsidenten Kim Il-sung feiern, der bereits 1994 verstorben ist. Doch sein Leichnam, der von einer Flagge der PdAK (Partei der Arbeit Koreas) umhüllt ist, kann auch heute noch bestaunt werden. Im Kumsusan-Palast in Pjöngjang. Dass der Staatsgründer nur wenige Stunden nach dem Titanic-Unglück das Licht der Welt erblickte, ist bis zum heutigen Tag in der nordkoreanischen Mythologie noch unberücksichtigt geblieben. Auch das wird sich vermutlich am 15. April ändern, wenn in Nordkorea wieder einmal „der Tag der Tage“ gefeiert wird.
Dem großen Führer und ewigen Präsidenten zu Ehren soll an seinem 100. Geburtstag von der neuen Raketenbasis Tongchang-ri eine Langstreckenrakete ins All geschickt werden. Satellitenfotos der Raketenbasis gibt es schon lange. Die letzten Aufnahmen stammen vom 28. März und wurden von Experten der „Johns Hopkins Universität“ ausgewertet. Sie kommen zu dem Schluss: „Die Trägerrakete Unah-3 ist – wie geplant – ab dem 12. April startklar, sofern nichts Unvorhergesehenes mehr passiert.“ Von den Startvorbereitungen konnten sich erstmals auch eine Gruppe von 50 Auslandsjournalisten überzeugen, die mit einem Sonderzug zum Raketenstützpunkt gebracht wurde. Sie durften sich „Unha-3“, so der derzeitige Raketenname, bis auf 50 Meter nähern.
Die Trägerrakete Unha-3 ist 30 Meter hoch, hat einen Durchmesser von 2,5 Metern und wiegt 91 Tonnen. Sie soll den Satelliten „Kwangmyongsong-3“ (Shining Star) ins All befördern, der nordkoreanischen Forschern genauere Wettervorhersagen ermöglichen und zudem die Suche nach natürlichen Ressourcen vereinfachen soll. Jang Myong Jin ist der Leiter der Raketenstation in Tongchang-ri, der die Journalisten über das Raketengelände führt. Er beruft sich auf den Weltraumvertrag der Vereinten Nationen und versichert: „Egal was andere behaupten, wir machen das nur aus friedfertigen Gründen.“
Doch die USA sehen in dem geplanten Raketenstart einen Verstoß gegen die Resolutionen des UN-Sicherheitsrates, die Nordkorea den Einsatz von Langstreckenraketen verbieten. Japan und Südkorea sehen darin auch den Test einer militärischen Rakete, die einmal einen Atomsprengkopf tragen könnte. „Falls diese Rakete abzustürzen droht“, erklärt ein Sprecher der japanischen Regierung, „werden wir sie abschießen.“ Dabei handelt es sich aber nicht um eine vorweggenommene Rechtfertigung, sondern um eine tatsächliche Gefahr. Denn ganz objektiv betrachtet waren alle nordkoreanischen Langstreckenraketentests (1998, 2006 und 2009) von sehr bescheidenem Erfolg gekrönt. Wie auch die beiden Atomtests. Nordkorea reagiert auf Japans Ankündigung mit einer Drohgebärde:
„Sollten Südkorea oder Japan eine Langstreckenrakete des Regimes abschießen, wird Nordkorea ´resolut und erbarmungslos´ zurückschlagen. Nordkorea wird einen solchen Abschuss als ´Kriegsakt´ einstufen.“
Wir kennen Nordkorea besser als dem Regime wahrscheinlich lieb ist. Wir freuen uns auf die bevorstehenden Feierlichkeiten und wissen, dass sie einzigartig werden und das Volk Nordkoreas wieder einmal aus innerer Begeisterung und Überzeugung den ewigen, leider schon verstorbenen, Präsidenten feiern wird. Wir nehmen Nordkorea sehr ernst, wie wir die gesamte politische Situation auf der nordkoreanischen Halbinsel sehr ernst nehmen. Trotzdem können wir unser Schmunzeln nicht immer unterdrücken. Das darf aber nicht als Geringschätzung verstanden werden. Unsere Sorge gilt in erster Line den Menschen in Nordkorea.
Egal wie der Raketentest Mitte April ausgehen wird, aus der Sicht des nordkoreanischen Propagandaministeriums wird er ein „einzigartiger Erfolg“ werden. Wir blicken erfreut und besorgt nach Nordkorea: Erfreut, weil der neue Führer Kim Jong-un, er wird schon jetzt „das Genie der Genies“ genannt, am 100. Geburtstag seines Großvaters bereits „Gottstatus“ erlangen kann. Besorgt, weil die neue Trägerrakete es vielleicht doch irgendwie bis Japan schaffen könnte.