Kritische Journalisten wurden von Myanmars Generälen lange wie Staatsfeinde behandelt. Nach 50 Jahren wird die Zensur nun langsam abgebaut. Ein erster Schritt in Richtung Meinungsfreiheit. Fünfzehn Jahre musste ich „undercover“ arbeiten. Ein kurzer, persönlicher Rückblick:
„Wie war es möglich in Myanmar zu leben und ohne größere Schwierigkeiten über dieses Land, seine Politik, die Generäle und die Opposition zu berichten, ohne verhaftet zu werden und im Gefängnis von Insein zu landen?“ Es ist die zentrale Frage, die mir überall gestellt wird, wo immer ich über meine 15 Jahre in Myanmar erzähle. Um ganz ehrlich zu sein: Genau genommen war ich mir bereits am 30. März 1997 sicher, verhaftet und vor Gericht gestellt zu werden. Oder zumindest die Koffer packen zu müssen und nur wenige Stunden später im Flieger nach Bangkok zu sitzen. Damals sind Auszüge meines Presse-Interviews mit Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi in „The New Light of Myanmar“ erschienen. Unter meinem Namen. „The New Light of Myanmar“ war jahrzehntelang das offizielle Staatsorgan der burmesischen Militärjunta. Bis zum heutigen Tag werden täglich eine englische und eine burmesische Ausgabe gedruckt.
Meine Fragen an die Friedensnobelpreisträgerin und Oppositionsführerin waren teilweise provokant formuliert. Gerade bei politischen Themen bevorzuge ich das kontroversielle Interview gegenüber dem informativen. Damals ging es auch um die Frage der unzähligen Minderheiten in Myanmar, ob sie nicht alle nach Unabhängigkeit streben würden, sobald die Generäle abtanken. Nur die eiserne Faust der Junta hielt das Land zusammen, garantierte den Zusammenhalt. Genau das wollten die Generäle lesen. Zudem: Wer der Oppositionsführerin kritisch und provokant begegnet, der muss auf der Seite der Junta stehen. Solche vereinfachten Schlussfolgerungen kennen wir. Der verantwortliche Herausgeber von „The New Light of Myanmar“ dürfte ähnlich gedacht haben, denn am Ende meines Interviews war der kurze Nachsatz zu lesen:
„Sogar der ausländische Journalist erkennt die Tatsachen, die Aung San Suu Kyi leugnet.“
Doch das war noch kein Garantieschein in Myanmar weiterhin „under cover“ arbeiten zu dürfen. Von nun an wurde ich regelmäßig beschattet. Immer wieder waren es dieselben Gesichter, die hinter mir auftauchten, ob ich gerade die deutsche Botschaft verlassen hatte, mich am Postamt vergeblich nach meiner Post erkundigte oder wieder einen meiner Beiträge von einem Hotel aus ins Ausland faxte. Unter einem Pseudonym, um nicht noch einmal namentlich in „The New Light of Myanmar“ erwähnt zu werden.
Nichts ist mir passiert. Dass meine Post geöffnet und gelesen wurde, gehört zum Alltag eines jeden Ausländers in Myanmar. Auch, dass Pakete über Wochen zurückgehalten werden, ehe man nur einen verschwindend kleinen Teil des Inhalts überreicht bekommt, entlockte mir bald nur noch ein Schmunzeln. Mein Telefon wurde natürlich abgehört, Auslandsgespräche mussten zudem bei einem Operator angemeldet werden, der einen zurückrief, sobald die Auslandsverbindung endlich hergestellt war. Erst 1999 bekam ich meine eigene IDD-Line (International Direct Dialling). Von nun an waren Auslandsgespräche kein Problem mehr. Doch weder am Telefon noch in meinen Aufsätzen habe ich je zu den Menschenrechtsverletzungen in Myanmar Stellung genommen. Das unumstrittene Reizthema Nummer eins der Militärjunta. Wer es aufgreift, ist ein Handlanger des Westens, ein Regimegegner. Doch das war gar nicht notwendig, weil das Thema ganz hervorragend von Menschenrechtsorganisationen abgedeckt wird. Gleichzeitig haben vor allem westliche Medien Myanmar und seine Generäle oftmals auf die Menschenrechtsverletzungen im Land reduziert. Dem wollte ich, so gut ich konnte, entgegenwirken.
Ein ähnlich brisantes Thema, das aber kein Journalist in Myanmar umgehen kann, ist der Drogenhandel im Goldenen Dreieck. Es führte mich direkt zu U Khun Sa, dem Gründer der Mong Thai Army und der Shan Unity Army, die einen verzweifelten Kampf für eine autonome Shan Provinz im Norden Myanmars führten. Finanziert wurden die Unabhängigkeitskämpfer durch die Heroingeschäfte von Khun Sa. Er war Myanmars unumstrittener Drogenbaron, der größte Heroinschmuggler aller Zeiten mit einer Privatarmee von 10.000 Mann.
U Khun Sa wurde im Jahr 1989 wegen der illegalen Einfuhr von 1000 Tonnen Heroin in die USA in Abwesenheit angeklagt. Im Handumdrehen hat er der US-Regierung seine ganze Heroinproduktion zum Kauf angeboten. Nur um den Kampf der Shan Unity irgendwie weiter finanzieren zu können. Nach einer Rebellion innerhalb der Mong Tai Army im Jahre 1996 musste sich Khun Sa den burmesischen Einheiten ergeben. Trotz eines Kopfgelds der USA in Höhe von zwei Millionen Dollar durch die DEA (Drug Enforcement Administration) wurde Khun Sa nie an die USA ausgeliefert.
Ob es mein Treffen mit U Khun Sa war, weshalb ich in den nächsten Jahren weitgehend ungestört meiner journalistischen Arbeit in Myanmar nachgehen konnte, weiß ich bis zum heutigen Tag nicht. Ein angesehener und einflussreicher Geschäftsmann in Yangon hat mir einmal gesagt: „Mein Freund, Du weißt einfach zu viel. Es ist für alle Beteiligten besser, den Status quo beizubehalten, Dich nicht aus dem Land zu werfen. So bist Du bis zu einem gewissen Grad auch kontrollier- bzw. überwachbar.“ Gleichzeitig habe ich nie ein Journalistenvisum beantragt, mich nie offiziell deklariert, sondern immer einen anderen Weg gefunden, legal nach Myanmar einreisen zu können. Dieser Weg war auch von offizieller Seite leichter zu genehmigen.
Trotzdem war die Angst immer mein ständiger Begleiter. Auch noch im September 2007 als Tausende Mönche auf den Straßen von Yangon demonstrierten und unzählige Soldaten an der Zufahrt zu unserem Grundstück Stellung bezogen. In dieser Zeit verbrannten wir sicherheitshalber wichtige Unterlagen aus unserem Safe und meinen internationalen Presseausweis. Nach zwei Tagen wurden die Soldaten wieder abgezogen. Die blutigen Auseinandersetzungen im Stadtzentrum erreichten einen traurigen Höhepunkt: Der Aufstand der Mönche wurde blutig niedergeschlagen.
Am 20. August 2012 erklärte das Informationsministerium in Yangon, Medien nicht länger zensieren zu wollen. Zeitungen, Liedertexte bis hin zu Märchen – sämtliche Publikationen mussten in den letzten 50 Jahren vorweg einmal von den Behörden genehmigt werden. Nun müssen die Texte erst nach ihrer Publikation eingereicht werden, um mögliche Verstöße gegen Verlagsrechte festzustellen.
Ein erster Schritt in Richtung Meinungsfreiheit ist getan.
U Khun Sa: Lord of the golden triangle
U Khun Sa: Opium Warlord of the world