Trump setzt auf Russland und provoziert China. Dahinter steckt wirtschaftliches Kalkül. Steht die Welt vor einer Neuordnung?
Ungebremst und ungefiltert loggt sich Donald Trump mit seinen Tweets ins Weltgeschehen ein. Er schreibt was er denkt und er handelt wie wir es erwartet haben: Offen und unerfahren, leicht überheblich und unberechenbar. Vor allem aber provokant, auf den ersten Blick auch unüberlegt, wenn er mit seinen Online-Kommentaren auf dem aalglatten und traditionsbewussten Parkett der Weltdiplomatie für große Verwunderung sorgt.
Sein Gespräch mit der TaiwanesischenRegierungschefin Thai Ing-wen war lange geplant, es war kein trump´scher Spontanakt zu dem er sich kurzerhand hinreißen ließ. Bewusst nannte er sie „President of Taiwan“ und unterläuft im selben Moment vierzig Jahre heikle amerikanische China-Diplomatie, die im Juli 1971 mit dem Besuch des damaligen Außenministers Henry Kissinger in Peking ihren Anfang nahm.
Trump entwurzelt in wenigen Minuten, was über Jahrzehnte mühsam aufgebaut wurde. Nicht um primär um zu provozieren, sondern, weil er den amerikanischen Rechenstift zur Hand nimmt und erkennt, dass ein Umdenken notwendig geworden ist. Der Globalisierung kann und darf nicht länger Tür und Tor geöffnet werden.
Ohne Frage: Die USA sind Chinas wichtigster Handelspartner. Chinesische Exporte in die Vereinigten Staaten stehen im Vordergrund und machen 80 Prozent des bilateralen Handelsvolumens (von insgesamt 600 Mrd. Dollar) aus. Dieses Ungleichgewicht ist andererseits der Hauptgrund für das gigantische US-Handelsdefizit von 531 Mrd. Dollar pro Jahr. Das ist dem frisch gewählten Präsidenten eindeutig zu hoch. Trump, daran werden wir uns irgendwann gewöhnen müssen, geht nun vor wie ein politisch unerfahrener Unternehmer vorzugehen hat:
Er bastelt unverschämt öffentlich an einer neuen amerikanischen Ostasien-Politik. Im wirtschaftspolitischen Fadenkreuz stehen in erster Linie die chinesischen Billigimporte, die in Asien auf Kosten der amerikanischen Arbeiterklasse eine neureiche Mittelschicht entstehen ließ. Den Weg dorthin ebnete die hochgelobte Globalisierung. Alles wurde und wird immer noch, dem Denken in supranationalen Wirtschaftseinheiten untergeordnet.
Zudem: Chinas massiver Militärkomplex im Südchinesischen Meer ist dem Trump-Team (vor allem Asienberater Peter Navarro von der University of California-Irvine) ein Dorn im Aug. Künftig soll es nicht nur eine stärke Militärpräsenz der Amerikaner im Westpazifik geben, auch die militärische Aufrüstung Taiwans gehört zu den ausgemachten Zielen der neuen Ostasienpolitik. Das der Konflikt mit der Volksrepublik China ist auf vielen Ebenen vorprogrammiert. Das Taiwantelefonat war nur ein erster Vorgeschmack auch auf den niedrigen Stellenwert die hohe Diplomatie unter Trump einnehmen wird.
Bereits im Wahlkampf hatte Donald Trump der chinesischen Regierung unredliche Handelspraktiken durch Währungsmanipulationen vorgeworfen und mit Konsequenzen gedroht. Was noch vor wenigen Wochen als trum´scher Populismus interpretiert wurde, hat heute schon viel mit wirtschaftlichem Nationalismus zu tun, der, eben volksnah per Tweet politisch eingefädelt wird, zwar nicht sehr diplomatisch, dafür aber ungefiltert ehrlich an die Öffentlichkeit dringt.
Twitter wird die USA in den nächsten Jahren prägen wie alle erzkonservativen Kräfte, die Trump um sich schart. Die künftige Regierung gleicht einem exklusiven Club steinreicher Milliardäre, die sich künftig nicht nur mit gewinnsteigernden Investitionsplänen auseinandersetzen, sondern auch die Geschicke der Weltpolitik mitbestimmen möchten. Dass das über eine normale Kosten-Nutzen-Rechnung hinausgeht leuchtet ihnen ein, dass das auch diplomatisches Fingerspitzengefühl erfordern wird, ist ihnen ebenfalls klar. Wie schnell die Milliardäre dazulernen, wird mit berechtigter Sorge und großer Aufmerksamkeit verfolgt werden. Nichts lässt sich derzeit ausschließen – das ist beängstigend und spannend zugleich.
Das Taiwan-Telefonat mit der Regierungschefin musste China als „diplomatischen Affront“ einstufen, die Volksrepublik zwingt mittels ihrer vorgegebenen und nicht verhandelbaren Ein-China-Politik andere Staaten, Taiwan zu isolieren. Die sogenannte „Ein-China-Doktrin“ schreibt zudem fest, dass „kein Land diplomatische und andere offizielle Beziehungen zu der heute demokratischen Inselrepublik unterhalten darf, wenn es ein normales Verhältnis mit der Volksrepublik pflegen möchte.“
An solche Grundsätze fühlt sich Donald Trump nicht gebunden. Schon gar nicht, wenn – wie er meint – die schnelle Ausbreitung der Wirtschaftsmacht China gebremst werden muss. Und falls notwendig mit Hilfe der Russen: Anders ist die Berufung von Exxon Mobil-Topmanager Rex Tillerson zum US-Außenminister vorweg einmal nicht zu deuten. Tillerson gilt als der größte Putin-Freund unter Amerikas führenden CEOs. Er hat mit dem Kreml-Chef mehr Zeit verbracht als jeder andere Amerikaner, wenn wir von Henry Kissinger einmal absehen.
Die nach der Krim-Annexion verhängten Sanktionen gegen Russland haben ein 500 Mrd. Dollar schweres Exxon-Geschäft mit Russland von der Zielgerade genommen. Tillerson ist Anteilseigner seines bisherigen Arbeitgebers. Von einer Aufhebung der Sanktionen, die einen Geschäftsabschluss wieder in Aussicht stellen, könnte Tillerson also persönlich profitieren, weil der Spitzenmanager mit langfristigen Aktienoptionen entlohnt wird, sobald er die Chefetage verlässt. Ob die Republikaner im Senat diesen Interessenkonflikt übersehen können wenn über seine Bestellung zum Außenminister entschieden wird? Voraussichtlich wird Tillerson seine Aktienoptionen aufgeben müssen, wenn die Ethikregeln im US-Außenministerium gewahrt bleiben sollen.
In jedem Fall, auch sollte Tillerson vom Senat abgelehnt werden, wird Trump an seinem angekündigten politischen Schulterschluss mit Russland festhalten. Primär um die Chinesen an allen nur erdenklichen Fronten leichter in Schach halten zu können. Das beginnt bei der Rohstoffgewinnung in Afrika und reicht im Zuge der Globalisierung bis zu den Billigexporten, die den amerikanischen Kontinent mittlerweile überschwemmt haben. Kontraproduktiv wäre in diesem Zusammenhang die von Trump angekündigte Auflösung des Freihandelsabkommen TPP. Das Trans Pazifik Partnership verbindet 11 Staaten, die sich zum Ziel gesetzt haben der Vorherrschaft Chinas in dieser Region entgegenzuwirken – China selbst ist demnach nicht dabei.
Amerika gemeinsam mit Russland gegen die Volksrepublik China. Sind das die Grundzüge der Ära Trump? Welche Rolle Europa dabei spielen kann, ist noch völlig unklar, weil die Europäische Union noch sehr lange mit sich selbst beschäftigt sein wird. Auch mit der Suche nach den gemeinsamen Konturen eines außenpolitischen Profils.