10 Feb 2005, Mangalore, India --- Shirvanear mangalore, India. 10th February 2005 -- Friends and family pay their respects to Jacintha Saldanha, 46, during a simple ceremony some 30 miles north of Mangalore, on the south-west coast. Jacintha was found hanged in her quarters at King Edward VII's hospital in London. -- The remains of Jacintha Saldanha, the nurse at the center of the transferred call from DJs at a London hospital treating Duchess of Cambridge, has been laid to rest at the Our Lady of Health Church in Shirva. --- Image by © timesnews24x7 R.K.BHAT/Demotix/Corbis

„Königlicher“ Scherz mit tödlichen Folgen

Ein „königlicher“ Scherz zweier Radiojournalisten führt in London zum Selbstmord einer Krankenschwester. Mitverantwortlich ist die Boulevardpresse, die gleichzeitig von solchen Tragödien profitiert.

Wo verläuft die Grenze zwischen einem guten und einem schlechten Scherz? Lässt sich das vorweg wirklich sagen oder können wir erst im Nachhinein urteilen, wenn wir auch mögliche Konsequenzen kennen? Unbestritten ist, dass wirklich gute Scherze immer seltener werden. Als „humorvoll“ gilt heute, was in erster Linie geschmacklos und niveaulos ist.

Vieles ist vorhersehbar. Der Tod der britischen Krankenschwester Jacintha Saldanha, die im King Edward VII Hospital, im Zentrum Londons arbeitete, war es nicht. Dabei hatte die Krankenschwester am 4. Dezember den Telefonanruf von Queen Elisabeth II und Prinz Charles, um 5 Uhr 30 in der Früh, nur durchgestellt, weil die Rezeption des Krankenhauses so zeitig noch gar nicht besetzt war. Sie war sich in diesem Augenblick einfach sicher, dass sich die Königin und der Prinz of Wales persönlich nach dem Gesundheitszustand der schwangeren Kate, der Herzogin von Cambridge, erkundigen wollten.

Den Medien war zu diesem Zeitpunkt nur die offizielle Stellungnahme des Buckingham Palace bekannt:

The Duchess of Cambridge was taken to King Edward VII Hospital in central London last Monday, suffering from an extreme form of morning sickness called hyperemesis gravidarum.“

Doch es war ein fingierter Telefonanruf. Am anderen Ende der Leitung saßen zwei australische Radiojournalisten: Mel Greig und Michael Christian hatten sich große Mühe gegeben die Stimme der Queen bzw. die Stimmlage von Charles, Prinz of Wales, nachzuahmen und so medizinische Details über Kates Schwangerschaft zu erfahren. Im Grunde genommen waren sich beide sicher, dass das Krankenhaus den Streich sofort durchschaut und auflegen wird.

Doch der schlecht imitierte Akzent der australischen Journalisten dürfte Krankenschwester Jacintha Saldanha nicht aufgefallen sein. Sie stammt aus der Hafenstadt Mangalore in der südwestindischen Region Konkan, wo sie auch ausgebildet wurde. Viele Frauen in ehemaligen britischen Kolonien haben eine sehr ähnliche Berufslaufbahn eingeschlagen, um letztendlich in Großbritannien arbeiten und Fuß fassen zu können. Als gebürtige Inderin, deren Muttersprache Hindi ist, fällt es ihr natürlich schwer den australischen Akzent herauszuhören. Deswegen hatte sie den Telefonanruf auch sofort zu einer Kollegin durchgestellt, die alle Fragen der Königlichen Hoheiten ausführlich und präzise beantwortete.

Sofort war die britische Hysterie rund um das „Royal Baby“ nebensächlich. Der Mitschnitt des Gesprächs der beiden Radiojournalisten hatte die Boulevardpresse erobert. Bis zum letzten Freitag war das Gespräch noch auf der Website des Programm „2Day FM“ (Link: http://www.2dayfm.com.au/) zu hören. Die indische Krankenschwester rückte schlagartig in den Mittelpunkt des weltweiten Medieninteresses. Wie konnte sie auf die beiden Journalisten hereinfallen? Was hat sie in dem Augenblick gedacht, als sie die Stimme der Queen hörte? Hatte sie nie Zweifel?

Jacintha Saldanha fühlte sich schuldig und war der öffentlichen Erniedrigung nun hilflos ausgesetzt. Niemand, der ihr irgendwie Schutz bot, der ihr in diesen schweren Stunden hilfreich zur Seite stand. Die weltweite Aufmerksamkeit wurde sehr schnell zu viel für sie. Sie zog sich in ihr krankenhauseigenes Apartment zurück. Zu ihrer Familie nach Bristol fährt sie nur am Wochenende. Als ihr Ehemann, Benedict Barboza (49) mehrmals vergeblich in der kleinen Wohnung anrief, alarmierte er das Krankenhaus. Der Selbstmord der 46 jährigen Jacintha Saldanha erschüttert ganz Großbritannien.

Wieder einmal steht die Gier der Boulevardpresse im Mittelpunkt der Kritik: Die hemmunglose Invasion der Privatsphäre getarnt als die Suche nach der eigentlichen Wahrheit. Jedes Foto, jeder O-Ton ist von unschätzbarem Wert geworden. Wer wirklich mehr weiß, als offiziell bekannt gegeben wird, wird dafür auch dementsprechend entlohnt. Die beispiellose Gier der Paparazzi geht Hand in Hand mit den unvorstellbaren Summen, die einzigartige Fotos und Exklusivgeschichten einbringen. Es gibt keine Grenze mehr. Wer von den Revolverblättern gejagt wird, dem bleibt oftmals nur die Flucht.

Fingierte Telefonanrufe gehören mittlerweile zum journalistischen Alltag. Inwieweit sie tatsächlich guten Humor repräsentieren, und ob auch Personen des öffentlichen Lebens hineingezogen werden sollen, muss ernsthaft hinterfragt werden. Dass die beiden australischen Radiojournalisten Mel Greig und Michael Christian nun in Schuldgefühlen ersticken ist verständlich. Von vielen Seiten wird ihre Entlassung gefordert.

„Gnade euch Gott Journalisten, wenn die Folgen eures Tuns nachteilige Wirkung auf die Schwangerschaft der Herzogin haben sollte“, twittern genau jene Menschen, für die die Boulevardpresse ausrückt, um die letzten geilen News an Land zu ziehen. Kosten sie, was es wolle.

Der Radiosender „2Day FM“ für den Mel Greig und Michael Christian arbeiten, hat schon zwei Mal gegen die sogenannten „guten Sitten“ verstoßen. Jedes Mal lautete das Urteil der Behörde, die für die Ethikstandards der australischen Medien eingerichtet wurde: 5 Jahre Bewährungsfrist.

Jacintha Saldanha hinterlässt zwei Kinder: Sohn Junal (16) und Tochter Lisha (14).

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