Kim Jong-il liegt aufgebahrt in einem gläsernen Sarg. In Nordkorea hat sein Sohn Kim Jong-un die Macht übernommen. Er gilt schon jetzt als „großartiger Nachfolger“. Wird er seine Macht mit einem Militärschlag unter Beweis stellen?
Vor dem sogenannten Studienplatz des Volkes in Pjöngjang erstreckt sich ein 75.000 quadratmetergroßer öffentlicher Platz. Er wurde nach dem schon längst erloschenen Stern Nordkoreas, nach Kim Il-sung benannt. Er war der Vater des am letzten Samstag verstorbenen Führers Kim Jong-il, also der Großvater des neuen „großartigen“ Führers Kim Jong-un. An den Hauswänden, rund um diesen riesigen Platz, hängen neben dem Porträt des Großvaters auch die Porträts von Marx und Lenin. Es ist nur eine Frage der Zeit bis dort alle anderen Kims herunterlächeln.
Der „Kim Il-sung-Platz“ dient der Abhaltung von Massenveranstaltungen: Hier findet am Geburtstag des jeweiligen Führers ein Massentanz mit 10.000 Menschen und großem Feuerwerk statt. So gesehen auch ideal für eine Großbildleinwand, auf der Sportveranstaltungen übertragen werden könnten. Künftig vielleicht sogar Übertragungen von der NBA, der National Basketball Association der Vereinigten Staaten?
Der „großartige Nachfolger“, wie der neue Führer Kim Jong-un bereits genannt wird, gilt als Basketball-Fan und ausgezeichneter Basketballspieler. Seitdem er an der Spitze der letzten kommunistischen Hochburg steht, ist er bereits zu einer Ausnahmeerscheinung im Basketballsport aufgestiegen. Schon als er die Internationale Schule in Gümlingen bei Bern besuchte, die er 1998 ohne Abschluss abrupt verließ, hat er mehrmals den Basketball im Korb versenkt. Warum er Bern Hals über Kopf verließ, darüber wird auch heute noch spekuliert. Vermutlich, weil ihn sein Vater bereits 1998 als möglichen Nachfolger ins Auge gefasst hatte. Und künftige großartige Führer der Nation Nordkoreas müssen zeitgerecht beschützt und in die heiklen Amtsgeschäfte eingeweiht werden. Schließlich heißt es ja: Nordkorea gegen den Rest der Welt, wäre da nicht der große Schutzpatron China.
Das Talent für Ballspiele scheint also in der Familie Kim zu liegen: Während der verstorbene Vater den Golfball unzählige Male schon mit dem ersten Schlag im Loch versenkte, wird sein Sohn schon bald als einer der größten Basketballspieler unserer Zeit verehrt werden. Zumindest in Nordkorea, in der letzten stalinistischen Enklave. Und falls die Propaganda- und Verherrlichungs-Maschinerie des Informationsministeriums ähnlich perfekt arbeitet wie zu Zeiten seines Vaters bzw. Großvaters, dann werden wir schon bald von unglaublichen Höchstleistungen des „großartigen Nachfolgers“ erfahren:
Wie viele Basketballspiele er im Alleingang als Legionär in Bern noch umdrehen konnte, und wie viel Körbe er pro Match erzielte bzw. wie oft er sein Team zum hochverdienten Sieg führen konnte. Seine sportlichen Erfolge werden sich in seinen politischen Leistungen widerspiegeln und umgekehrt. Der Dank des Volkes ist ihm schon heute gewiss. Der verdiente Ruhm begleitet ihn auf Schritt und Tritt. Vom Gott-Status wird ihn letztendlich nur die körperliche Sterblichkeit unterscheiden. Seit dem Tod seines Vaters berichtet die nordkoreanische Propaganda von zahlreichen „Naturwundern“ zu Ehren des geliebten verstorbenen Diktators:
So wird von einem gewaltigen Eissturm berichtet, der in der Nähe von Kim Jong-ils Geburtsort gewütet habe. Natürlich zu seiner Todesstunde. Nach dem Sturm sei das Eis auf dem berühmten Chon-See geborsten, sodass „es den Anschein hatte, dass Himmel und Erde erschüttert werden“. Dann hätte Stille geherrscht und auf einem Felsen des Berges Paektu (Heiliger Berg der Revolution) sei der leuchtende Schriftzug „Kim Jong-Il“ erschienen. Die blauen Blitze, die am Himmel deutlich sichtbar waren, werden als Zeichen der Trauer gedeutet. Es waren dieselben Blitze, die den Himmel erhellten als der verstorbene, göttliche Führer geboren wurde.
Der großartige Nachfolger Kim Jong-un wird den Personenkult seines Vaters und Großvaters übernehmen. Somit sind weitere Naturwunder gesichert.