Skydiver Canada/USA © pixabay

Justin Trudeau: Barack Obama 2.0?

Er ist ein politischer Glücksgriff. Somit auch eine Ausnahmeerscheinung. Was er sagt, setzt er um. Doch was ist das Ziel des kanadischen Premierministers Trudeau?

Er verehrte, schätzte und liebte seinen Vater. Andächtig und einfühlsam, respektvoll und tief  bewegenden war die Wahl seiner Worte, als er mit 28 Jahren beim Staatsbegräbnis die Grabrede hielt, die ihn in weiterer Folge nicht nur ins Parlament, sondern auch an die Spitze der Liberalen Partei katapultierte. Niemand hatte auch nur einen Gedanken daran verschwendet, dass Justin, damals ein junger Student, je seinem legendären Vater irgendwann einmal nachfolgen könnte.

Pierre Trudeau, der im September 2000 verstarb, war fast zwanzig Jahre durchgehend Kanadas Premierminister, zudem ein angesehener und geschätzter Gesprächspartner von Helmut Schmidt, Margaret Thatcher und Ronald Reagan. Verständlicherweise liebte es der Trudeau senior auch mit Prinzessin Diana gemeinsam ein paar Längen im Gartenpool zu schwimmen. Im Juni 1983 gab es ein prunkvolles Staatsdinner zu Ehren von Princess Diana and Prince Charles im Hotel Nova Scotian in Halifa. 

Justin (Piere James) Trudeau ist sein ältester Sohn und ein anerkannter Vordenker einer sogenannten liberalen, modernen Politik, wie sie in Kanada heutzutage geliebt und geschätzt wird. Er ist ein Premierminister, der die Hälfte seines Kabinetts mit Frauen besetzt, einfach – so seine lapidare Antwort im letzten Jahr – weil es zeitgemäß ist, weil Gleichberechtigung auf allen Ebenen auch gelebt und im politischen Alltag des Jahres 2015 gepflegt gehört.

Zudem trägt der Regierungschef ein indianisches Tattoo am Oberarm, steigt regelmäßig in den Boxring um eine seiner zahlreichen Leidenschaften weiter auszuleben und lässt sich auch gerne bei diversen Yogaübungen in seinem Büro fotografieren. 

Trotzdem: Er ist aber weit mehr als nur ein ersehnter fotogener Politiker zum Angreifen, mehr als nur ein glamouröser Selfie-Typ, der immer und überall für ein Foto zu haben ist, nicht nur für die Boulevardpresse, natürlich auch für kostspielige Hochglanzmagazine, die sich in eleganten Wartezimmern stapeln. Er ist nach heutigen Politikermaßstäben eine Ausnahmeerscheinung, der Anti-Trump, wie ihn die Washington Post mit einem beneidendem Unterton umschmeichelt. Eine Art Obama 2.0.?

Vielleicht. Allerdings mit dem ganz großen Unterschied, dass der scheidende US-Präsident mit seinen grossen Reden – ob im Zuge seines ersten Wahlkampfes oder bereits während seiner beiden Amtszeiten, wortreich Hoffnungen und Träume weckte, die sich als wunderschöne Gedankenmodelle entpuppten, letztendlich aber im kleinpolitischem Hick-Hack zwischen Demokraten und Republikanern sehr schnell wie Seifenblasen zerplatzten. Leicht ergraut wird sich der erste schwarze US-Präsident im Jänner zurückziehen, vielleicht sogar nach Kanada.

Weil dort der Traum, den Obama vor dem geistigen Auge so vieler Amerikaner und Anhänger entstehen ließ, tatsächlich gelebt wird? Weil die beiden Staatsoberhäupter ein gemeinsames Ideal verbindet, das der eine nur geträumt, der andere aber tatsächlich umzusetzen versucht? Achtung: Der Glaube an eine atomwaffenfreie Welt muss an dieser Stelle sofort und unbedingt ausgeklammert werden, denn Friedensnobelpreisträger Obama hat diese Hoffnung mit seiner Politik persönlich ad absurdum geführt, vielleicht sogar erst zur wahrhaften Illusion werden lassen.

Kanada mit Justin Trudeau lebt nicht von dem, was er verspricht und auch umzusetzen vermag:   Er lässt der Symbolkraft seiner Worte auch Taten folgen, selbstverständlich auch um das Jahrzehnt der konservativen Vorherrschaft vergessen zu machen. Mit einer authentischen Mischung aus persönlicher Überzeugung und politischer Entschlossenheit will er, wie so viele seiner Anhänger, dass sich Kanada deutlich(er) von den USA abhebt: 

Ob beim Klimagipfel in Paris oder beim Wirtschaftsforum in Davos, wo er klar machte, dass Kanada mehr zu bieten hat als nur Bodenschätze und die internationale Staatengemeinschaft primär den Erfinderreichtum seiner Heimat im Auge behalten. sollte. 

Sobald sein öffentlicher Auftritt beendet war, gönnte er sich gemeinsam mit Kevin Spacey und Leonardo di Cabrio ein Glas Bier. Mediengerecht!

Treudeau möchte nicht nur als Vordenker, sondern vor allem als politischer Reformer in die Geschichte eingehen. Und er setzt dabei eine vernünftige, ökologisch durchdachte Wirtschaftspolitik fort, die schon seiner Zeit dazu geführt hat, dass beispielsweise das Klimaschutzprotokoll aus Kyoto als erstes von den Kanadiern unterzeichnet wurde. Heute gipfelt die kanadische Umweltpolitik in maximaler Transparenz in der eigenen Verwaltung: Klimaforscher sollen offen und uneingeschränkt ihre Ergebnisse präsentieren können, im Dienste der Regierung. Die Zeit als sie ihre Forschungsergebnisse zunächst von höchster Regierungsstelle genehmigt werden mussten, bevor sie der Öffentlichkeit präsentiert werden durften, diese Zeiten sind endgültig vorbei. Schon bei den Klimaverhandlungen in Paris ließ der Trudeau durchblicken, dass er sich deutlich von seinem Erdöl-verliebten Vorgänger unterscheidet. 

Die Kanadier wollen eindeutig als „bessere“ Amerikaner wahrgenommen werden, als liberaler, wirklich weltoffen und als tatsächlich großzügig. Mit Trudeau an der Spitze kann das Land aus dem Schatten der amerikanischen Weltgroßmacht hervortreten, sich auf der Bühne  der Weltpolitik selbstständig und selbstbewusster präsentieren: Die kanadische Luftwaffe soll nicht mehr den IS bekämpfen, lieber schickt der Premierminister verstärkt Blauhelme und Entwicklungshelfer in die Krisenregionen, und entscheidet kurzerhand 25.000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Bereits umgesetzt ist die angekündigte Aufstockung der humanen Hilfe für das UN-Flüchtlingshilfswerk. 

 Zudem: Er entzog der kanadischen Verfassung ihre britischen Jurisdiktion, möchte Marihuana freigaben, führte in Quebec Französisch als zweite Amtssprache ein und machte den umstrittenen Nominierungsablauf für den Senat für die Bürger durchschaubarer und somit auch akzeptabler.

Justin Trudeau, lässt seinen Worten tatsächlich Taten folgen. Das hat und wird ihn von Barack Obama maßgeblich unterscheiden, und die Zukunft Kanadas auch von jener der Vereinigten Staaten unter Donald Trump. 

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