Für die USA zählt Majid Khan zu den 16 gefährlichsten Guantanamo-Häftlingen. Er sollte nie wieder freikommen. Nun möchte er aber gegen die Drahtzieher vom 11. September aussagen. Darf er im Gegenzug als freier Mann zurück nach Pakistan?
Majid Khan ist der einzige Guantanamo-Häftling, der sich immer legal auf amerikanischem Staatsgebiet aufgehalten hat. Sein Vater besitzt eine Tankstelle in Baltimore, Maryland. Hier besuchte Khan auch die Owings Mills Highschool. Er liebte Videospiele und hörte mit Begeisterung Hip-Hop-Musik. Er galt als unauffällig. Auch unter den Moslems, die in Baltimore lebten. 2002 reiste Khan in seine Heimat Pakistan, heiratete seine Frau Rabia und kehrte wenige Wochen später wieder in die USA zurück. In Maryland arbeitete er erneut als Datenbankadministrator. Laut seinen Worten half er dem FBI pakistanische Staatsbürger, die sich zu dieser Zeit illegal in den USA aufhielten, aufzuspüren und zu verhaften. Es waren die Monate nach den Terroranschlägen von New York. Die Vereinigten Staaten befanden sich immer noch in einem Schockzustand. Präsident George W. Bush hatte auf seine Art und Weise Rache geschworen.
Während seines nächsten Aufenthaltes in Pakistan wird Majid Khan mitsamt seiner Familie verhaftet und wenige Tage später an einen geheimen Ort gebracht. Nach vier Wochen wurden alle freigelassen. Nur Khan nicht. Er wurde weiterhin gefangen gehalten, irgendwo im Norden Pakistans. Nähere Informationen gab es nicht. Auch seine Familie hatte keine Ahnung über Khans Schicksal.
Erst drei Jahre später, im September 2006, war es sicher: Majid Khan ist noch am Leben. Doch er befand sich mittlerweile in den Händen des CIA und verbrachte mehrere Monate in einem der geheimen CIA-Gefängnisse, die über die ganze Welt verstreut waren. Hier soll er gefoltert und – laut seinen eigenen Angaben – „unmenschlich behandelt“ worden sein. Sein Anwalt erklärt Jahre später, dass Khan dermaßen eingeschüchtert wurde, dass er nie über die Details seiner Folter berichten konnte. Khan wurde vom geheimen CIA-Gefängnis nach Guantanamo überstellt.
Der mittlerweile 31-jährige gilt als früherer Geldbote des Terrornetzwerks al-Qaida. Seit seinem ersten Pakistanbesuch im Jahr 2002 soll er eng mit Chalid Scheich Mohammed zusammengearbeitet haben. Scheich Mohammed wurde am 1. März 2003 festgenommen und gilt als der eigentliche Drahtzieher der Anschläge vom 11. September. Zudem war er bis Ende der Neunziger Jahre der Kopf der al-Qaida Propaganda-Maschinerie. Angeblich soll Scheich Mohammed zugegeben haben, für verschiedenste Terroranschläge mitverantwortlich zu sein. Darunter auch der erste Anschlag auf das World Trade Center (1993), der Bombenanschlag auf den Bali-Nachtklub und der missglückte Bombenanschlag auf Flug 63 der American Airlines. Ihm droht die Todesstrafe, sollte er verurteilt werden.
Majid Khan galt als seine rechte Hand. Er wurde von Scheich Mohammed beauftragt auszuforschen, wie die amerikanischen Wasserreservoirs vergiftet und Tankstellen in die Luft gesprengt werden könnten. Zudem soll Khan auch einen Mordanschlag auf den früheren pakistanischen Präsidenten Pervez Musharraf geplant haben. Die Anklage wirft ihm aber nicht nur versuchten Mord und Spionage vor, auch soll er Sprengstoff für Terroranschläge organisiert haben. Im Fall seiner Verurteilung droht ihm lebenslange Haft.
Khan zählt in Guantanamo zu jenen sechszehn Gefangenen, die, wenn es nach den USA geht, nie wieder freikommen sollten. Doch laut Washington Post, hat sich Khan nun bereit erklärt, in den kommenden vier Jahren als Zeuge vor US-Sondergerichten auszusagen. Dabei sollen den fünf Hauptverdächtigen der Anschläge vom 11. September und dem Drahtzieher des Anschlages auf das US-Kriegsschiff „USS Cole“ der Prozess gemacht werden. Allen droht die Todesstrafe. Sofern Khan tatsächlich gegen sie aussagt, könnte er selbst mit einer milderen Strafe davonkommen. Gleichzeitig wäre es auch das erste Mal, dass sich ein – von den USA – als hochgefährlich eingestufter Guantanamo-Häftling auf einen Deal mit der amerikanischen Justiz einlässt. Khans Anwalt Jonathan Dixon wollte eine außergerichtliche Einigung weder bestätigen noch dementieren. Auch das Pentagon gibt keine eindeutige Stellung ab. Pentagon-Sprecher Todd Breasseale erklärte einzig und allein: „Herr Khan kann jede Vereinbarung, die er möchte, mit der Justiz treffen“. Khan könnte demnach in vier Jahren als freier Mann nach Pakistan zurückkehren.
Die Anklageverlesung gegen Majid Khan vor einem US-Militärtribunal ist für den 29. Februar 2012 geplant.