11 Jun 2015, USA --- Bethlehem, United States. 11th June 2015 -- A piece of land is cleared under heavy security as Palestinian locals watch -- Israeli bulldozers cleared another piece of land for a new settlement project in the West Bank village of Wadi Fukin, on June 11, 2015. The Israeli military surrounded the area and declared it a closed military zone. --- Image by © Mahmoud illean/Demotix/Corbis

Flucht aus der Ausweglosigkeit

Abbas möchte bei der UN-Vollversammlung die Vollmitgliedschaft von Palästina beantragen. Dahinter versteckt sich zunächst einmal ein Hilfeschrei. 

Schon seit mehreren Wochen spricht man in Israel vorallem von den ungerechtfertigt hohen Lebenskosten und – eng damit verknüpft – von der Hoffnung der Jugend auf eine bessere Zukunft. Dafür gehen hundertausende Menschen auf die Straße. Die größte Demonstration in der Geschichte Israels zählte vor zwei Wochen rund 450.000 Demonstranten. Selbst als wieder der Nahost-Konflikt mitsamt der Palästinenserfrage die israelische Politik dominierte, verstummten die Proteste nicht. Das kam vorallem für Israels Regierung überraschend. Schließlich waren Fragen der Nationalen Sicherheit – sie wurden immer und immer wieder mit der Palästinenserproblematik verknüpft – das einzige Thema, das normalerweise alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte in Israel geeint hat.

Doch Israel hat sich verändert: Der Mittelstand erhebt sich, weil er erkannt hat, daß der Preis für steigenden Wohlstand zu hoch ist und weil er sich nicht mehr von derpolitischen Klasse vertreten fühlt.  Auch die Besetzungs-und  Siedlungspolitik der Regierung wird heute kritischer betrachtet.

Die Forderung nach einem Ende der Besetzungspolitik wird –  hinter verschlossenen Türen – sogar unter den engsten Beratern  von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu debattiert. In weiten Teilen der israelischen Gesellschaft wurde erkannt, dass die Besetzungspolitik den Staat korrumpiert und seine Werte wie seine Moral zerrüttet hat. Gleichzeitig hat die  Siedlungspolitik den Frieden und auch die sogenannten „Friedensverhandlungen“ immer wieder vergiftet . Vor 40 Jahren, wie auch heute, wird die Siedlungspolitik von sicherheitspolitischen Argumenten gestützt. Doch in Wirklichkeit verfolgt die Siedlungspolitik ihre eigene Agenda und hat sich in eine politische Waffe verwandelt, die oftmals nach hinten losgeht aber gleichzeitig den Staat Israel dirigiert.

Wenn Mahmud Abbas nun tatsächlich den Antrag auf  Vollmitgliedschaft Palästinas bei den Vereinten Nationen einbringt, dann ist der Zeitpunkt klug gewählt. Denn gerade der Arabische Frühling wird in den nächsten Jahren  die Dynamik dieser Region mitbestimmen. Zwei Themen werden im Zentrum der politischen Debatten stehen:  Palästina und die Frage:  Wieviel Demokratie sich in der arabischen Welt langfristig etablieren  kann.

Zudem möchte Abbas endlich aus diesem undurchsichtigen Verhandlungslabyrinth mit Israel und den Amerikanern herauskommen. Sein Antrag ist in Wirklichkeit eine Flucht aus der Ausweglosigkeit. Denn  es gibt keine Verhandlungen, die tatsächlich den Namen „Friedensverhandlungen“ verdienen und es gibt demnach auch keinen Friedensprozess in dem solchen Verhandlungen eine wichtige Rolle spielen. Trotzdem erklären Israel und die USA in politischer Einstimmigkeit, daß „die Anerkennung eines Palästinenser-Staates nur am Ende von Friedensverhandlungen stehen kann“.

Alle Fahrpläne mit oder ohne Zeitvorgaben, die sich zum Ziel setzten zwei Staaten nebeneinander friedlich ko-existieren zu lassen, sind gescheitert.  Warum und weshalb? Die Antworten führen bekannterweise  zum beliebten Schuldzuweisungsspiel, das beide Seiten perfekt beherrschen.

Die unentwirrbaren amerikanisch-israelischen Interessen haben zeitweise sogar den Eindruck entstehen lassen, daß diese beiden Länder nicht wirklich eine Lösung  der Palästinenser-Frage im Sinn haben.  Die   amerikanische Rüstungsindustrie und alle Industriezweige, die mit ihr zusammenarbeiten, zählt heute zu der wichtigsten und mächtigsten Lobby in den USA. Und das  unfassbar hohe Verteidigungsbudget der Vereinigten Staaten (rund 700 Milliarden Dollar im Jahr 2011)  läßt sich nur rechtfertigen solange es auch  die „Achse des Bösen“ weiterhin gibt. Israel verkörpert dabei den amerikanischen Soldaten an vorderster Front. Der Sold dafür ist die amerikanische Unterstützung auf fast allen Ebenen. Damit es so bleibt, dafür sorgt auch die jüdische Minderheit in den USA. Sie kontrolliert u.a. große Teile der amerikanischen Medienlandschaft.

Sicher ist, daß den Palästinensern in New York keine Vollmitgliedschaft als Staat gewährt werden wird. Eine Vollmitgliedschaft wird am bereits angekündigten Veto der USA im UNO-Sicherheitsrat scheitern. Die Vereinigten Staaten werden erneut als verlängerter Arm der Israelis agieren, die sich wahrscheinlich mit jedem Status ohne Staatlichkeit anfreunden können. Bei einer Abstimmung unter allen UN-Mitgliedern würde den Palästinensern vermutlich ein Nicht-Mitglied Satus zuerkannt werden . Dafür, so ist zu erwarten, könnten mehr als zwei Drittel der UN-Mitglieder stimmen. Das würde auch einer Anerkennung der Grenzen aus dem Jahr 1967 gleichkommen.

Derzeit besitzen die Palästinenser einen Beobachterstatus. Dieser könnte also in einen beobachtenden Nicht-Mitglied-Status umgewandelt werden. Die Palästinenser hätten dann eine eigene Stimme und müßten sich nicht mehr durch die Vertreter anderer Nationen artikulieren. Gleichzeitig  könnten sie ihre rechtmäßige Stellung im Netzwerk der verschiedenen UN-Organisationen einnehmen.

Das wäre zweifelsfrei ein Schritt in die richtige Richtung, aber leider kein Garant für Frieden. Und sollte Israel – wie angekündigt – im Gegenzug tatsächlich alle unterzeichneten Vereinbarungen aufkündigen, werden alle Verhandlungsparteien erneut zurück an den Start geschickt.

Übrigens:

Die im Jahr 1947 von den UN verabschiedete Resolution 181, die die Gründung zweier Staaten, eines arabischen und eines jüdischen, innerhalb des Gebiets zwischen Jordanfluss und Mittelmeer fordert, wird auch noch nach 64 Jahren missachtet. Sie bleibt unerfüllt, solange die zweite Hälfte, nämlich ein palästinensischer Staat, nicht verwirklicht wird.

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