06 Sep 2007, Nevada, USA --- A MQ-1 Predator flies over a range in Nevada while being filmed by a video production team for the Air Force recruiting campaign, "Do Something Amazing." The Predator is assigned to the 11th Reconnaissance Squadron, 432nd Air Expeditionary Wing, Creech AFB, Nevada. --- Image by © DoD/Corbis

Drohnenkrieg: Legale Tötung oder Mord?

Friedensnobelpreisträger US-Präsident Obama lässt gezielt durch Drohnen töten. Unter den Opfern sind unzählige Zivilisten. Trotzdem gehört die militärische Zukunft der Kampfdrohne. Ist ihr Einsatz ein Kriegsverbrechen?

Zwischen den Vereinigten Staaten und Pakistan herrscht kein Krieg. Trotzdem wird pakistanisches Hoheitsgebiet fast jeden zweiten Tag von den Amerikanern bombardiert – von amerikanischen Drohnen. Nirgendwo hat die CIA mehr überwacht und bombardiert als in Wasiristan, einer Bergregion im Nordwesten von Pakistan, die an Afghanistan grenzt und rund 11.000 km² groß ist.

Wasiristan ist im Prinzip ein geschlossenes Territorium und die pakistanische Regierung ist bemüht, wie sie sagt, „die Gewalt innerhalb dieser Grenzen zu halten.“ Die meisten Menschen, die in Wasiristan heute leben, sind Zivilisten und keine bewaffneten Terroristen oder militante Kämpfer. Viele Menschen in Wasiristan tragen bzw. besitzen eine Waffe. So gesehen können sie sehr einfach als „militante Kämpfer“ abgestempelt werden. (In den USA besitzt jeder dritte US-Amerikaner eine Waffe. Schätzungen gehen davon aus, dass es in den amerikanischen Haushalten über 300 Millionen Gewehre und Pistolen gibt).

Den ersten nachgewiesenen amerikanischen Drohenangriff in Pakistan gab es im Jahr 2004. Präsident Barak Obama erbte das Drohnenprogramm von seinem Vorgänger George W. Bush. Friedensnobelpreisträger Obama unterwarf es einer stärkeren Kontrolle durch das Weiße Haus: Das gezielte Töten wurde intensiviert und perfektioniert. Bereits vor zwei Jahren wurde bekannt, dass der US-Präsident, ein ehemaliger Verfechter der Menschenrechte mit der Vision von einer atomwaffenfreien Welt, im “Situation Room” des Weißen Hauses sitzt und die Todesliste persönlich durchgeht. Er studiert vorliegende Kurzbiographien bevor er den Befehl zur “gezielten Tötung” gibt. Die Ziele für Drohnenangriffe werden von der CIA festgelegt: Ins Visier genommen werden in erster Linie Mitglieder der al-Qaida, der Taliban, der Tehrik-i-Taliban Pakistan und des Haqqani-Netzwerks.

In den letzten zehn Jahren sind tausende Menschen bei amerikanischen Drohnenangriffen ums Leben gekommen. Sie wurden weder verhaftet, noch angeklagt oder eingesperrt, sondern einfach verstümmelt, getötet bzw. ermordet. Im Jemen, in Somalia, in Afghanistan und in Pakistan.

Wer in Wasiristan einem verletzten Drohnenopfer helfen möchte, wird sofort auch als „militanter Kämpfer“ eingestuft. Die Schreie der Verwundeten sind mehrere Stunden lang zu hören, weil niemand hingeht, um ihnen zu helfen. Alle haben Angst. Viele mussten mitansehen wie Freunde oder Verwandte von Drohen regelrecht zerrissen wurden. Schon der Klang einer Drohne lässt die Menschen in der Bergregion Wasiristan zusammenzucken. Einen normalen Alltag gibt es schon lange nicht mehr: Kinder haben Angst außer Haus zu gehen, die Schulen sind leer.

„Wir führen einen Krieg gegen eine Organisation, die in diesem Moment so viele Amerikaner wie nur irgendwie möglich töten würde, wenn wir sie nicht vorweg daran hindern.“ (US-Präsident Barak Obama am 23. Mai 2013).

Nach Ansicht der US-Regierung sind solche Präventionsschläge, gezielte Tötungen auf fremden Staatsgebiet, legal und in keiner Weise mit Hinrichtungen zu vergleichen. Schließlich befindet sich die US-Regierung in einem erklärten Krieg mit der Terrororganisation Al-Quaida und ihr nahestehenden bewaffneten Organisationen. Einziger Unterschied aus amerikanischer Sicht: Dieser Krieg spielt sich auf keinem Schlachtfeld ab.

Alles geschieht in Rücksprache mit den Regierungen der betroffenen Staaten. Und deswegen wird auch nicht das Prinzip staatlicher Souveränität verletzt. In einem „white paper“ des US-Justizministerium  wird auch betont, dass „diese Staaten oftmals nicht willens oder in der Lage sind, selbst zu handeln.“ Amerikanische Rechtfertigungsversuche münden oftmals in dem Begriff „extrajudicial killings“ – er verleiht der Tat einen juristisch unantastbaren Schutzmantel.

Genau an diesem Punkt wird der Rechtsstaat zum Spielball der Macht. Dabei wäre es doch die Aufgabe des Rechtsstaates, die Macht des Staates in Grenzen zu halten. Darin liegt die wahre Stärke eines Rechtsstaates. Was uns hier als legale Tötung verkauft wird, ist Mord.

Der gesamte Rechtsdiskurs und alle Rechtfertigungsversuche können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Drohnen in erster Linie Waffen sind, die bis zum heutigen Tag noch nicht verboten wurden. Sie werden über ein Computerprogramm, vom Boden über Funksignale oder über Satellitenfunk gesteuert. Die kleinsten Drohnen sind nur wenige Zentimeter groß, mit einer kleinen Videokamera ausgerüstet dienen sie zumeist der militärischen Aufklärung. Die größten Drohnen, zu ihnen gehört der amerikanische “Boeing Condor”, haben eine Flügelspannweite von knapp 60 Metern und erinnern uns an ein Passagierflugzeug mit Kriegscharakter.

Bei den sogenannten “Signature Strikes” weiß der Drohnenpilot vorher nicht, welche Person getötet werden soll. Die Drohne sucht die Gegend nach potenziellen Aufständischen ab. Oftmals im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan. Solche Angriffe, so wird vermutet, werden auf der Basis einer Wahrscheinlichkeitseinschätzung durchgeführt, dass es sich bei den beobachteten Individuen um Terroristen oder Aufständische handelt. Und das ist dann der Fall, wenn diese Personen bestimmte Verhaltensmuster an den Tag legen, aus denen auf das Risiko einer Bedrohung geschlossen werden kann.

Über das Ergebnis des Einsatzes wird dann fast ausschließlich in den pakistanischen Medien berichtet: “Bei einem Drohnenangriff in Südwaziristan sind am 3. Juni 2012 fünf mutmaßliche Aufständische, darunter ein Kommandant getötet worden.” Dabei wird aber jeder Mann im Kriegsalter, der getötet wird, im Nachhinein als “Aufständischer” bezeichnet.

Einen Tag später, am 4. Juni, wurde in Nordwaziristan eine sogenannte “gezielte Tötung” vorgenommen: Unter den 15 Toten befand sich Abu Yahya al-Libi, ein ranghoher al-Qaida-Kommandant. Während das pakistanische Parlament die Drohnenangriffe verurteilt, werden sie von der pakistanischen Regierung geduldet. Sie macht sich mitschuldig, weil sie den Interessen der USA dient, nicht seinem Volk.

Politiker wollen saubere Kriege, die sich politisch leicht durchsetzen lassen, weil die eigenen Soldaten nicht an die Front geschickt werden müssen. Kriege, die über eine große Distanz geführt werden. Denn aus Distanz entsteht Gleichgültigkeit: Je weiter ein mutmaßlicher Aufständischer entfernt ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Drohnenpilot härter gegen ihn vorgeht.

Große mächtige Rüstungskonzerne haben mittlerweile die Urheberrechte für bestimmte Kriegs-Videospiele erworben. Hinter der Verkaufsstrategie künftiger Spiele wie “Un-manned-power“ steckt die Absicht, eine bestimmte Waffe bzw. eine bestimmte Art der Kriegsführung zum fixen Bestandteil unseres täglichen Bewusstseins werden zu lassen. Aus amerikanischer Sicht darf es erst gar nicht so weit kommen, dass Drohnen einer ethnischen Betrachtung unterzogen werden, die zum Ergebnis hat, dass der Drohnenkrieg verboten gehört.

Die militärische Zukunft gehört den Kampfdrohnen. Auch deshalb, weil jeder Krieg mit konventionellen Methoden zunächst einmal im amerikanischen Senat und Repräsentantenhaus diskutiert werden müsste. Vor allem die Frage, ob ein solcher Krieg auch tatsächlich im nationalen Interesse ist, müsste verlässlich und überzeugend beantwortet werden. Das ist beim Drohnen-Krieg nicht notwendig.

Nach Einschätzungen der US-Administration werden die gezielten Tötungen gegen Al-Quaida-Mitglieder und ihre Verbündeten noch sehr lange weitergehen. Die Geheimhaltung rund um das Drohnenprogramm gibt der US-Regierung eine Lizenz zum Töten jenseits der Erreichbarkeit von Gerichten oder Grundsätzen des Völkerrechts. Dabei ist es dem Weißen Haus völlig egal, was die Institutionalisierung einer Tötungsbürokratie ohne öffentliche und rechtliche Transparenz und Kontrolle für das amerikanische Selbstverständnis bedeutet.

Department of Justice white paper

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