Hinter vielen Kriegen steckt wirtschaftliches Kalkül. Nur die Rüstungsindustrie profitiert vom neuen Militärpakt zwischen den USA und Israel. Sobald wird es im Nahen Osten keinen Frieden geben. Warum? Eine Antwort.
Seit dem 11. September 2001 ist die Waffenproduktion weltweit angestiegen. „The Lab“, eine israelisch-belgisch-französische Koproduktion von Regisseur Yotam Feldman, zeigt
wie private Waffenhändler israelische Politiker und Führungskräfte der Armee manipulieren. Zudem untermauert der 60-minütige Film, erschienen 2013, dass vor allem die israelische Rüstungsindustrie zu den Hauptgewinnern gehört. Ihr Profit hat sich seit 9/11 mehr als verdoppelt – das hat das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri errechnet: Israel verkauft jedes Jahr Waffen in einem Gesamtwert von 2,5 Mrd. US-Dollar. Tendenz weiter steigend.
Der Geschäftserfolg der Waffen- und Rüstungsindustrie hat eine sehr stabile Grundlage: Es sind die seit Jahrzehnten anhaltenden Konflikte zwischen Israel und seinen Feinden vor allem im Nahen Osten. Israel ist ein sehr kleines Land, das sich zudem oftmals bedroht fühlt. Seine Innen- und Außenpolitik steht ganz im Dienst der nationale Sicherheit. Deswegen ist die Entwicklung neuerster Hightech – Waffen eine dringende Notwendigkeit – nur sie sichert die Existenz des Staates Israel. Das klingt doch einleuchtend, darauf geht auch Ministerpräsident Benjamin Netanyahu in jeder wichtigen Rede ausführlich ein.
Zu den nie enden wollenden Konflikten zählen primär die bewaffneten Auseinandersetzungen mit den Palästinensern. Yoram Feldman provoziert im Film „The Lab“ mit der These: „Gaza und die Westbank sind Israels Waffenlabore“, die Palästinenser die Versuchskaninchen, und der Krieg sei von einer Belastung zum hochprofitablen Geschäft mutiert. Faktum ist, dass die Nähe der Waffenindustrie zum Kriegsschauplatz den Entwicklungsprozess einzelnerWaffengattungen beschleunigt und gleichzeitig effektiver macht.
Die Marketingdirektoren der Waffenindustrie können zudem immer damit argumentieren, dass israelische Militärtechnologie „kampferprobt“ ist. Das ist wichtig, weil die Versorgung der israelischen Armee mit den neuesten Waffen für die heimische Rüstungsindustrie nur noch einen sehr kleinen Teil des Geschäfts darstellt. Die steigenden Gewinnzahlen verdankt die israelische Rüstungsindustrie seinen Exporten. Gefragt sind längst nicht nur Schusswaffen wie das „Tavor“-Sturmgewehr oder wie das „Negev“-Maschinengewehr, sondern auch sehr komplexe Waffensysteme: Israel verkauft mittlerweile mehr Drohnen ins Ausland als die USA. Aushängeschild und gut erprobter Exportschlager ist die IAI Harop (Israel-Aircraft-Industries), eine Angriffsdrohne, die mit 23 kg Sprengstoff ausgerüstet ist und bestimmte Ziele durch einen sogenannten Kamikazeangriff zerstört. Sie wurde nachweislich nach Indien und Aserbaidschan verkauft.*
Unverständlich, und zwar nicht nur aus amerikanischer Sicht, sind die Technologiegeschäfte mit China. Laut der Tageszeitung Maariv hat Israel u.a. Kühlsysteme für Raketentechnologie der US-Firma Ricor an China weiterverkauft. Die Konsequenz: Meir Shalit, der Leiter für Rüstungsexporte im israelischen Verteidigungsministerium, musste zurücktreten. Dass ihm nicht bewusst war, dass der Iran zu Chinas wichtigsten Handelspartnern gehört und seit Jahren militärische Ausrüstung aus der Volksrepublik bezieht, ist unvorstellbar. Man könnte zu dem Schluss kommen, dass Israel seinen Erzfeind Iran indirekt unterstützt, um ihn besser einschätzen zu können, um zu wissen auf welche Technologie sich die israelische Rüstungsindustrie einstellen muss, worauf sie nun zu reagieren hat. Die Forschungs- und Entwicklungsarbeit bekommt so einen zusätzlichen Sinn, der – ganz im Sinne der nationalen Sicherheit – finanziert gehört. Denn es geht offiziell immer um Prävention und Verteidigung.
Werden Feindbilder am Leben erhalten um große Investitionen zu rechtfertigen, um noch mehr Forschungsgelder in die Rüstungsindustrie pumpen zu können? Waffenexporte und ihre Gewinne sind das Ergebnis eines perfekten Zusammenspiels zwischen Militär, Industrie und Regierung. Schätzungsweise 30 Prozent aller Forschungsaufträge haben in Israel einen militärischen Hintergrund. Unglaubliche 4,4 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes investiert das Land jährlich in Forschung und Entwicklung. Wer sein Wissen über Cyber-Sicherheit, Informationstechnologie oder Grundlagenforschung auf den neuersten Stand bringen möchte, der bewirbt sich im High-Tech Park im nordisraelischen Yokneam bei Iraesls Weapon Industrie (IWI) oder bei G-Nius. Beide Unternehmen haben hervorragende Kontakte zum Militär: Israel ist bei der Entwicklung und Anwendung von Technologie weltweit die Nummer eins.
Ob dieser Platz zu halten sein wird, ist aber fraglich. Denn das kürzlich mit den USA verhandelte Militärhilfspaket, das Israel (von 2019 bis 2029) jährlich 3,8 Mrd.US-Dollar (bisher 3,1 Mrd. US-Dollar) garantiert, ist an eine folgenschwere Bedingung geknüpft: Demnach muss Israel die gesamte Finanzhilfe in Erzeugnisse der US-Militärindustrie stecken. Der Israel-Deal wird so zum Subventionsprogramm für amerikanische Rüstungskonzerne. Gleichzeitig wird dem Weiterverkauf von US-Militärtechnologie, denn nur so kann Israel aus dem Militärhilfspaket noch mehr Geld herausholen, Tür und Tor geöffnet. Das neue Abkommen inkludiert auch die Finanzierung von Raketenabwehrprogrammen, die bis jetzt immer Jahr für Jahr vom US-Kongress genehmigt werden mussten.
Künftig soll es auch neben der vereinbarten Militärhilfe keinen zusätzlichen Gelder mehr vom Kongress geben. Einzige Ausnahme: Ein neuer Krieg! Über den sich dann, sobald doch noch zusätzliche Dollar-Millionen nach Israel fließen, die israelische Rüstungsindustrie mitsamt ihren Forschungs- und Technologieabteilungen gezielt weiterentwickeln lässt. Ganz im Sinne der nationalen Sicherheit und ganz im Sinne der wachsenden Profite aus den Waffenexporten, auf die Israel auch in Zukunft nicht verzichten möchte.
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*Im Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien um die abtrünnige Region Bergkarabach wurden von Aserbaidschan im April 2016 eine Harop eingesetzt. In den umkämpften Gebieten bei Bergkarabach wurde nach Angaben internationaler Medien und Militärexperten durch die unbemannte Harop ein armenischer Bus mit Soldaten getroffen.