04 Jul 2012, London, England, UK --- London, United Kingdom. 4th July 2012 -- Bob Diamond Leaves the Treasury Select Committee Hearing Held at Portcullis House in Westminster London. -- Bob Diamond Former Group Chief Executive of the British bank, Barclays Plc. Leaves the Treasury Select Committee Hearing Held at Portcullis House Westminster London, UK. Bob Diamond,quit this week after Barclays agreed to payhalf a billion in fines. --- Image by © DuncanPenfold/Demotix/Corbis

Der Libor-Welt-Betrug

Ein weltweites Bankenkartell hat jahrelang den Libor manipuliert. So konnten die Banken für Kredite höhere Zinsen verlangen. Die Rücktritte bei Barclays sind erst der Anfang einer einzigartigen Betrugsgeschichte.

Heute um 12 Uhr, also um 11 Uhr Londoner Zeitrechnung, wird der Libor festgelegt. Das ist weder außergewöhnlich noch einzigartig, denn es geschieht jeden Tag. Der Libor (London Interbank Offered Rate) zeigt an, zu welchen Konditionen sich Banken untereinander Geld leihen. Deswegen nennen wir ihn auch: Referenzzinssatz im Interbankengeschäft. Im Grunde genommen handelt es sich also um Angebots-Zinsen. Festgelegt wird der Libor von den wichtigsten international tätigen Banken der „British Bankers’ Association“ in London. Er stützt sich dabei auf individuelle Angaben der Großbanken.

Greifbarer wird das ganze Libor-Thema sobald wir es mit einer Zahl unterlegen. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass es sich um den wichtigsten Zinssatz der Welt handelt. Schließlich gilt der Libor als Referenz für Kredite an Unternehmen und an Privatpersonen. Erträge und Kosten für komplexe Finanzprodukte hängen vom Libor genauso ab wie ganz normale Verbraucherkredite. Summa summarum geht es hier um ein Volumen von fast 290.000 Milliarden Euro. Zum Vergleich: 290.000 Milliarden Euro würden ungefähr der tausendfachen Wirtschaftsleistung Österreichs entsprechen.

Der Libor-Zinssatz wird jeden Tag für zehn verschiedene Währungen berechnet. Je nach Währung wird der Libor von 8, 12 oder 16 verschiedenen Banken festgelegt. Die höchsten und niedrigsten Werte werden dabei nicht berücksichtigt, also gestrichen, damit eine Bank alleine den Zinssatz nicht beeinflussen kann. Doch wenn sich ein Kartell aus Händlern der beteiligten Großbanken rechtzeitig abspricht und entsprechend niedrige bzw. hohe Zinssätze nennt, dann ist der Libor-Manipulation Tür und Tor geöffnet

Genau das ist geschehen. In unvorstellbarem Ausmaß und über mehrere Jahre hindurch. Dabei stehen wir erst ganz am Anfang der Ermittlungen. Mehr als ein Dutzend Großbanken wird vorgeworfen, von 2005 bis 2011 den Zinssatz Libor mit falschen Angaben manipuliert zu haben, um ihre wahren Refinanzierungskosten zu verschleiern und Handelsgewinne einzustreifen. Manipulieren sie die Refinanzierungskosten nach oben, können sie für Kredite höhere Zinsen verlangen. Die Zinsspanne steigt, und die Banken erzielen höhere Gewinne. Nach dem derzeitigen Stand sind möglicherweise folgende Geldinstitute beteiligt: Bank of America, Mitsubishi-UFJ, Citi, Credit Suisse, die Deutsche Bank, JP Morgan, Lloyds, RBS,  HSBC, UBS und Barclays.

Bei Barclays gab es auch die ersten Rücktritte: Vorstandsvorsitzender Bob Diamond hatte keine andere Wahl als sofort zurückzutreten. Er verzichtet auf seine Bonus-„Ansprüche“ in der Höhe von 20 Millionen Pfund. Allerdings wird er weiterhin seine Gehaltsbezüge von 1,35 Millionen Pfund erhalten. Zumindest 12 Monate oder bis sich ein neuer Vorstandsvorsitzender eingearbeitet hat. Diamond bekam allein in den vergangenen zehn Jahren Bezüge von mehr als 100 Millionen Pfund. Solange er die Geschicke von Barclays lenkte und leitete, wurden deutsche Landesbanken hemmungslos ausgenutzt. Ihnen wurden komplexe Finanzprodukte verkauft, die letztendlich große Verluste einfuhren. Privatkunden wurden verlustreiche Kreditausfallversicherungen angedreht und dem Mittelstand Finanzprodukte, die der einzelne Unternehmer gar nicht brauchen konnte. Es gibt kaum einen Finanzskandal, in den Barclays nicht involviert ist.

Was zahlreiche mittlerweile veröffentlichte E-Mails zwischen Bankern belegen. So wandte sich ein Barclays-Manager verzweifelt an seine Kollegen: »Heute brauchen wir einen ziemlich niedrigen Satz bei den Dreimonatslaufzeiten, sonst kostet uns das ein Vermögen«. Der Banker konnte auf seine Kollegen verlassen, schließlich lässt im Libor-Kartell keiner den anderen im Stich.

Wir können davon ausgehen, dass in den USA, in Europa und in Japan, zumindest 20 Banken an den weltweiten Manipulationen mitgewirkt haben. Alle stehen unter Betrugsverdacht. Unzählige Privatpersonen haben in New York bereits Klagen gegen US-Großbanken eingebracht. Doch es wird noch einige Monate dauern bis wird das gesamte Ausmaß dieser Betrugsgeschichte wirklich kennen. Das TIME Magazine recherchiert weltweit und hat bereits verlautbart, was die gesamte Finanzwelt schon vermutet hat:

„BARCLAYS IS JUST THE BEGINNING“

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