Nur wenn sich der Staat zurückzieht, kann die slowenische Wirtschaft wieder auf die Beine kommen. Auch der überraschende Wahlsieger Miro Cerar wird umdenken müssen, ansonsten wird Slowenien doch noch unter den Euro-Rettungsschirm müssen.
Alles ist möglich, nicht nur im Lotto, sondern auch in der Politik. Das ist genau so banal, wie es klingt. Wo es den Menschen wirklich reicht, weil sich ihre Lebensbedingungen permanent verschlechtern, dort wird aus einem Politik-Neuling sehr schnell ein Senkrechtstarter und Wahlgewinner. Nur sechs Wochen vor dem Urnengang in Slowenien gründete Miro Cerar, Professor an der juristischen Fakultät der Universität Ljubljana, eine Partei namens „Stranka Mira Cerarja“ (SMC).
Es war gar nicht notwendig der SMC-Partei mit einem durchdachten Parteiprogramm einen eindeutigen Platz im politischen Spektrum Sloweniens zuzuordnen, das Versprechen des Verfassungsexperten, sich für eine Rückkehr der Moral in der Politik einzusetzen, war völlig ausreichend. Die Korruptionsskandale der letzten Jahre waren sein sicherer Wegbereiter: Der zweimalige Regierungschef Janez Jansa hatte sich 2006 dafür eingesetzt, dass die finnische Rüstungsfirma Patria den Zuschlag bekam, 135 Radpanzer um 278 Millionen Euro für die slowenische Armee zu liefern. Dafür hat er einer Provisionszahlung zugunsten seiner Partei, der Slowenischen Demokratischen Partei (SDS), zugestimmt. Das rechtskräftige Urteil: 24 Monate Haft und 37.000 Euro Strafe.
Trotzdem wurde die oppositionelle Slowenische Demokratische Partei (SDS) mit 21 Prozent zweitstärkste Partei hinter der SMC (35 Prozent) von Professor Miro Cerar. Ob seine angekündigte Rückkehr zu moralischen Grundsätzen die erhoffte politische Stabilität mit sich bringen wird, ist allerdings mehr als nur fraglich.
Das kleine Land, Europas ehemaliger Musterschüler, das vor genau zehn Jahren der Europäischen Union beigetreten war, steht heute vor gigantischen Wirtschaftsproblemen. Monatelang galt Slowenien als Kandidat für eine Flucht unter den Euro-Rettungsschirm. Dass es (noch) nicht so weit gekommen ist, ist der ehemaligen Regierungschefin Alenka Bartusek zu verdanken, die in Brüssel strengen Sparauflagen zustimmte und einen strikten Sparkurs versprach. Trotzdem wuchs der Schuldenberg auf 70 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.
In keinem anderen Land der Europäischen Union sind so viele große und mittelständische Unternehmen in der Hand des Staates. Privatisiert wurden nur wenige Firmen. Darunter Lek, ein Pharmazie-Hersteller und der Automobilzulieferer Hella Saturnus. Auf der politischen Agenda steht nun die dringende Privatisierung des Flughafens der Hauptstadt Ljubljana und der slowenischen Telekom. Doch Wahlsieger Miro Cerar hat sich bereits gegen den Verkauf von Staatseigentum ausgesprochen.
Cerar selbst vertritt wirtschaftspolitisch eher linke Positionen, konservativ äußert er sich zu familiären Werten und religiösen Belangen. Bei anderen programmatischen Fragen blieb seine Partei vage. Auf den ersten Blick bringt der Politikneuling nicht die besten Voraussetzungen mit, um das kleine Land mit hohe Schulden, großem Bankensektor zu reformieren, um die seit fünf Jahren anhaltende Rezession zu beenden.
Faule Kredite und ein hohes Defizit sind die beiden Hauptprobleme der slowenischen Wirtschaft. Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) halten slowenische Banken rund sieben Milliarden Euro an faulen Krediten. Das entspricht immerhin rund 20 Prozent der Wirtschaftsleistung.
Als Slowenien 2004 dem Wechselkursmechanismus (WKM II) zwischen dem Euro und den teilnehmenden nationalen Währungen beitrat, musste es den slowenischen Tolar an den Euro binden. Mit einem Schlag war es der Notenbank nicht mehr möglich, die Exportwirtschaft mittels nominaler Abwertung – falls notwendig – zu unterstützen. Als die weltweite Finanz- und Schuldenkrise auch Mitteleuropa erreicht (2009), ist die slowenische Exportwirtschaft eingebrochen (minus 16 Prozent). Plötzlich gab es keine billigen Kredite aus dem Ausland mehr, die Immobilienblase platzte und die Bauwirtschaft hoffte vergeblich auf neue Aufträge.
Rasch stieg die Arbeitslosigkeit von 4,4 Prozent im Jahr 2008 auf das slowenische Rekordhoch von 9,6 Prozent im Jahr 2013. Die Steuereinnahmen sanken, die Sozialausgaben explodierten. Gleichzeitig musste die Regierung die Liquiditätsprobleme des Bankensektors durch neue Staatseinlagen entschärfen – dramatisch schnell stieg Sloweniens Staatsverschuldung: von 22 Prozent des Bruttoinlandsproduktes im Jahr 2009 auf geschätzte 72,5 Prozent, die für 2014 prognostiziert werden.
Die Geldinstitute sind mit 4,8 Mrd. Euro rekapitalisiert worden, wodurch sich ihre Bonitätsnoten zwar verbessert haben, allerdings befinden sie sich – wenn es nach der Ratingagentur Moody´s geht – immer noch im Ramschbereich. Die faulen Kredite der staatlichen Nova Ljubljanska Banka (NLB) wurden mittlerweile in die Bad Bank DUTB (Družba za upravljanje terjatev bank) übertragen. Die Antikorruptionsbehörde hat aber „präventive Ermittlungen“ gegen die Bad Bank eröffnet. Ihre Begründung: „Es ist eine Schlüsselfrage für die Zukunft Sloweniens, wie transparent die DUTB arbeitet und wie sehr sie gegen unbefugte Interessengruppen und politische Einflüsse immun sein wird.“
Dass die Euroumstellung und die Finanzkrise in Slowenien eine Staatsschuldenkrise mit ausgelöst haben, ist unumstritten. Doch eine seriöse Ursachenforschung muss auch das Jahr 2004 genauer unter die Lupe nehmen, als die slowenische Wirtschaftspolitik einen nachhaltigen finanzpolitischen Schwenk vollzog: Die slowenische Wirtschaft stützte sich bis zu dieser Zeit primär auf die nationale Akkumulation von Kapital und auf die Förderung der exportorientierten heimischen Wirtschaft. Doch seit 2004 basiert Sloweniens Wirtschaftswachstum auf Schulden. Diese Verlagerung überschnitt sich mit dem Beitritt zur EU und zum WKM II. In diesem Zeitraum (2004 bis 2007) erlebte das Land einen wahren Wirtschaftsboom (plus 7 Prozent), es war die Blütezeit der slowenischen Bau- und Immobilienwirtschaft, bis die erste Krise verdeutlichte, dass es sich um eine einzige große Blase handelte.
Wirschaftexperten empfehlen heute, die Grundsteuer einzuführen. Vorrangig ist und bleibt aber die Privatisierung von 13 staatlichen Unternehmen. Darunter sind die Nova Ljubljanska Banka (NLB) und die Nova Kreditna Banka Maribor (NKB), die tief in den roten Zahlen stecken. Politneuling und Wahlsieger Miro Cerar, 50, wir von einem linkslastigen Wirtschaftskurs abrücken müssen, will er Slowenien nicht nur aus dem Korruptionssumpf, sondern auch aus dem Würgegriff der defizitären Staatsbetriebe befreien. Ob Miro Cerar diesen ideologischen Quantensprung schafft, ist für die wirtschaftliche Zukunft Sloweniens von entscheidender Bedeutung.