Sicherer Gewinner der Fußballweltmeisterschaft ist die FIFA. Ein skrupelloses Machtkartell erwirtschaftet Milliardenumsätze. Wird die WM zum wirtschaftlichen Eigentor für den Gastgeber?
Der noble Zürichberg ist eine der teuersten und vornehmsten Wohnadressen in der Schweiz. Hier steht ein Palast, der alle anderen Villen überstrahlt. Ein gigantischer Neubau, der 145 Millionen Euro verschlungen hat und erst vor wenigen Jahren eingeweiht wurde: Die Zentrale des Weltfußballverbandes FIFA (Fédération Internationale de Football Association), die verschiedene Fußballturniere organisiert, von der Frauen- bis zur Männerfußballweltmeisterschaft.
Im Handelsregister des Kanton Zürich ist die FIFA als Verein eingetragen, der den Völker verbindenden und kulturellen Stellenwert des Fußballs berücksichtigt. So verwundert es nicht, dass die Gewinne „größtenteils“ – so die offizielle Wortwahl – „in Wettbewerbe und Mitgliederverbände der FIFA zurückfließen.“ Doch das ist, wenn überhaupt, nur die halbe Wahrheit.
Die FIFA wird wie ein Weltkonzern geführt, der seine Macht und seinen Einfluss mithilfe seines Geldes immer weiter ausbaut und sich keine Chance entgehen lässt, daraus mehr und mehr Kapital zu schlagen. Schließlich besitzt der Weltfußballverband ein Monopol auf das größte Medienereignis der Welt. Die FIFA diktiert die Preise für TV-Rechte und Sponsoren und sie hat dabei leichtes Spiel, denn die Öffentlich-Rechtlichen sind verpflichtet „live“ zu übertragen und somit gezwungen jeden Preis zu zahlen, den sich die FIFA wünscht.
Kompromisslos wird die Vermarktung jeder Fußballweltmeisterschaft vorangetrieben. Wer sich dabei nicht an die FIFA-Regeln hält, der kommt auf die Anklagebank. Das kann ein Multimillionendollar-Unternehmen genauso treffen wie einen kleinen Straßenhändler. Die FIFA verschont niemanden, sobald die eigenen, vor allem finanziellen Interessen gefährdet sind.
FIFA-Einsatzkommandos durchstreifen die WM-Austragungsorte. Gemeinsam mit Juristen und Polizisten suchen sie nach Produkten, auf denen unerlaubt geschützte Begriffe wie „World Cup 2014“ oder das Bild des WM-Pokals verwendet wurden. Übrigens: Das Original ist 36,8 cm hoch, 6,175 kg schwer und besteht aus 18-karätigem Gold.
Dem südafrikanischen Souvenirverkäufer, der 2010 einen kleinen WM-Schlüsselanhänger im Angebot hatte, drohte der Weltverband mit einer 10.000 Euro Geldstrafe. Denn wer in der Fanmeile Geschäfte abwickeln will, der benötigt eine FIFA-Lizenz oder muss offizieller WM-Sponsor sein. Durch den profanen Schlüsselanhänger, auf dem ein Ball und die Zahl 2010 zu sehen sind, sieht der Verband seine Rechte verletzt. Begründung: „Die Konstellation verweise klar auf die WM 2010 in Südafrika, jenes Turnier, das auf dem Werbemarkt allein für seine exklusiven Partner und Sponsoren reserviert ist. Seit der WM 1982 vergibt die FIFA exklusive Marketingrechte.“
Gezahlt wird für dieses Recht ein Vermögen: Die sechs größten Sponsoren der WM 2010 und 2014 haben die Rekordsummen von 160 bis über 300 Millionen Euro überwiesen. TV-Rechte und Sponsoren bringen dem Weltfußballverband stolze 2,3 Milliarden Euro. Doch eine Fußballweltmeisterschaft übersteigt oftmals sogar die Kapazitäten der großen FIFA-Sponsoren wie Budweiser. Nur dieser Engpass eröffnete „South African Breweries (SAB)“ bei der letzten WM die Chance sein eigenes Bier auszuschenken, doch auf sein Firmenlogo musste die südafrikanische Brauerei allerdings verzichten.
Der perfekte Doppelpass
Niemand spielt den Doppelpass Geld-Macht und Macht-Geld besser als die FIFA. Gleichzeitig möchte es sich niemand mit dem Weltverband verscherzen, zu verlockend sind die Gewinnaussichten. Wer den Doppelpass zwischen Geld und Macht verhindern möchte, schießt sich letztendlich ein Eigentor. Regie führt Sepp Blatter, sein Wort zählt als wäre es Gesetz. Er ist der uneingeschränkte Präsident der FIFA, kein echter Hoffnungsträger für den Weltfußball. Darin sind sich vor allem die europäischen Fußballverbände einig. Trotzdem kandidiert der 78-jährige Präsident im Mai 2015 erneut. Und er ist jetzt schon erzürnt, weil sich Widerstand formiert. Seine Wiederwahl ist gefährdet.
Das empfindet Blatter als illoyal und undankbar zugleich. Schließlich hat er doch erst vor vier Jahren großzügig, wie der Präsident nun einmal ist, eine Bonuszahlung ausgeschüttet: Alle 208 Mitgliedsverbände haben je rund 200 000 Euro erhalten – Herr Blatter wollte das hervorragende Ergebnis der WM 2010 mit allen teilen: 2,8 Milliarden hat die FIFA insgesamt in Südafrika erwirtschaftet, 700 Millionen mehr als noch bei der WM in Deutschland (2006).
Und trotzdem ist die Wiederwahl des Herrn Präsidenten ernsthaft gefährdet. Blatter kocht innerlich, mit so viel Respektlosigkeit hat er beim besten Willen nicht gerechnet. Liebäugelte er vor zwei Jahren sogar noch mit dem Friedensnobelpreis. Der Korruptionssumpf, den Herr Blatter um sich herum zumindest entstehen hatte lassen, ist viel zu tief und viel zu feucht. Jeder Trockenlegungsversuch war nicht mehr als eine halbherzige Beschwichtigungsgeste.
2008 stellte ein Schweizer Gericht fest, dass die Sportmarketingfirma ISL Millionenbeträge als Schmiergeld an FIFA-Funktionäre zahlte. Blatter gab zu, davon gewusst zu haben. Im nächsten Atemzug betonte er aber, dass Korruption damals nicht strafrechtlich relevant gewesen sei. Seither untersucht Blatters eigene, neue Ethik-Kommission die ISL-Akten. Das hat dazu geführt, dass viele Funktionäre der Überzeugung sind, eine Reform der FIFA ist nur mit Blatter möglich.
Niemand bestreitet, dass FIFA-Gelder auch für sinnvolle Nachwuchsarbeit ausgegeben werden. Aber in den letzten Jahren blieb immer der Eindruck zurück, dass jede Förderung irgendwie mit der Wiederwahl des Präsidenten verbunden ist. Der notwendige Neustart wird aber nur ohne ihn möglich sein. Die Korruptionsaffairen und die Freunderlwirtschaft haben das Image der FIFA schwer beschädigt: steinreich, skrupellos und korrupt.
Der Kampf ums Prestige
Doch es wäre zu einfach alles auf die FIFA-Funktionäre abzuschieben. Denn im Hintergrund stehen die Regierungen einzelner Länder, die unbedingt die Fußballweltmeisterschaft ausrichten wollen. Deshalb werden hochrangige FIFA-Funktionäre gerne verwöhnt und reich beschenkt. Doch den WM-Zuschlag bekommt nur, wer der FIFA Steuerfreiheit garantiert. Das ist und bleibt ein ungeschriebenes Gesetz im WM-Geschäft. Dem deutschen Fiskus sind so im Jahre 2006 rund 250 Millionen Euro entgangen.
Brasilien und Südafrika sind erst durch den vorangegangenen Boom in die zweifelhaft glückliche Lage gekommen, ein solches Event überhaupt ausrichten zu können. Politik und Wirtschaft geht es primär ums Prestige, denn ein lukratives Geschäft ist die Weltmeisterschaft schon lange nicht mehr. Der Verband vermarktet die Weltmeisterschaft, der Veranstalter bleibt auf der Strecke, nicht zuletzt wegen der zahlreichen FIFA-Vorschriften. So hatte der Weltfußballverband in Kapstadt den Umbau einer bestehenden Arena strikt abgelehnt und darauf bestanden, dass Südafrika um 500 Millionen Euro ein völlig neues Stadion für 70.000 Zuschauer errichtet. Direkt am Ozean gelegen sei das neue WM-Stadion erbaut „vor der eindrucksvollen Kulisse der Kapstädter Berge“, schwärmte die deutsche Website des Weltfußballverbandes FIFA vor dem WM-Anpfiff. Nach dem Schlusspfiff, als der neue Weltmeister feststand, wurde dem Veranstalter klar, die WM war ein Verlustgeschäft: 4 Milliarden Euro hatte Südafrika in seine Fußballstadien investiert. Die direkten Gewinne hat der Monopolist FIFA abgeschöpft.
Die im Vorfeld eines Großereignisses erstellten Kosten-Nutzen-Analysen sind oft viel zu optimistisch. Vor allem wird die Nachhaltigkeit vieler Investitionen überschätzt. Das fußballbegeisterte Brasilien, dem eine hohe Inflation, soziale Ungleichheit und Korruption zu schaffen macht, verbindet auch große Hoffnungen mit der 20. Fußballweltmeisterschaft. Doch es ist ein Irrglaube, die WM bringt für das Gastgeberland keinen nennenswerten nachhaltigen Wachstumseffekt.
Zwar hat die Weltmeisterschaft in Deutschland (2006) die Konjunktur kurzfristig um 0,4 Prozentpunkte (des BIPs) gestärkt, doch die meisten Impulse waren auf die Agenda-Reformen der deutschen Bundesregierung zurückzuführen. Und Griechenland prosperierte nach den Olympischen Spielen nicht vom Großevent, sondern, lange vor der Eurokrise, von den günstigen Rahmenbedingungen der Währungsunion.
Die Traumfabrik
Der Karneval in Rio spült jährlich 3,2 Milliarden in die Tourismuskasse, die Tourismuseinnahmen im Zuge der Fußballweltmeisterschaft schätzt Brasilien auf 5,5 Milliarden. Dabei werden aber viele wichtige Fragen, die ein solches Großereignis begleiten, nicht gestellt und demnach auch nicht beantwortet: Wie viel Geld bringen jene Urlauber mit, die keine Fußballtouristen sind und ohnehin nach Brasilien fliegen wollten? Oder: Wie viel Geld geht verloren durch jene Touristen, die Ihre Brasilienreise auf ein anderes Jahr verschoben haben, weil sie dem WM-Wahnsinn in den Austragungsorten entgehen möchten oder gestiegene Hotelzimmerpreise fürchten?
Ein Megaevent wird eine gute Wirtschaftspolitik nie ersetzen können. Für 2014 wird Brasilien ein Wachstum von lediglich 1,8 Prozent vorhergesagt, 2010 waren es noch 7,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Brasiliens Wirtschaft wächst mittlerweile deutlich langsamer.
Das Land gilt mittlerweile als besonders anfällig und verwundbar für weltwirtschaftliche Turbulenzen. Die hohe Inflation, das schwache Wirtschaftswachstum und die sinkenden Rohstoffpreise belasten die brasilianische Volkswirtschaft genauso, wie die geschätzten 10 Milliarden Euro, die in die Weltmeisterschaft investiert wurden – in Straßen, Bahnen, Stadien, Telekommunikation und in die Sicherheit. Doch das Geld fehlt dann an anderer Stelle: So könnte die neu gebaute Straße, die am Stadion endet, stattdessen auch in ein frisch erschlossenes Gewerbegebiet führen oder Wohn- und Arbeitsplatz miteinander verbinden. Für ein Land wie Brasilien, in dem nur 20 Prozent des Straßennetzes als befestigt gelten, ist eine solche Investition keine unwesentliche Entscheidung. Es ist logisch und verständlich zugleich, dass die brasilianische Bevölkerung protestiert und Mehrausgaben für Bildung und Gesundheit fordert.
Für den Standort Brasilien ist die Weltmeisterschaft, solange sie gut organisiert ist, eine vielversprechende Werbekampagne. Dem Gastgeberland bringe dieses Megaevent bestenfalls eine gute Stimmung, Zusammenhalt und Stolz der Bevölkerung werden gestärkt, urteilen die Autoren einer veröffentlichten Analyse der Berenberg-Bank und des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI). Das Ergebnis der Untersuchung ist ernüchternd: Selbst Schwellenländer wie Brasilien könnten durch Sportereignisse wie Fußball-Weltmeisterschaften kaum bedeutende Wachstumsbeiträge verbuchen.“
Dabei läuft alles nach einem mittlerweile bekannten Muster ab: Politiker und Sportfunktionäre malen im Vorfeld immer noch buntere Bilder von neuen Touristenströmen, von glücklichen Gastronomen und Hotelbesitzen, von einer verbesserten Infrastruktur (rund um die Sportstätten) und von modernen Stadien, in denen die Menschen auch künftig noch große Sportfeste und Open-Air-Konzerte live miterleben werden. Als würde eine Konjunkturhochblüte die Tore in ein goldenes Zeitalter aufstoßen. Die Erwartungen sind hoch, die Enttäuschung noch größer.
Nach dem sportlichen Eigentor im Eröffnungsspiel gegen Kroatien droht Brasilien nun auch ein wirtschaftliches Eigentor.