05 May 2013, Agrigento, Sicily, Italy, Italy --- Italy, Sicilia (Sicily), Agrigento . Valle dei Templi (Valley of the Temples), "Ikaro crashed", bronze statue by polish sculptor, Igor Mitoraj, Tempio della Concordia, Temple of Concord, on the background --- Image by © Atlantide Phototravel/Corbis

Am Anfang stand das Ende Griechenlands

Die Geschichte Europas steht kurz davor, ein ganz neues Kapitel zu schreiben.  Niemand will es wahrhaben, kaum jemand möchte daran denken, aber es scheint kein Weg daran vorbeizuführen: Griechenland wird in den Staatsbankrott entlassen werden. Doch wie geht es dann weiter? Hier ist ein vorsichtiger Versuch das Unvorstellbare in Worte zu fassen:

Griechenland wird in den Staatsbankrott entlassen werden und in der Euro-Zone bleiben. Eine Rückkehr zur Drachme könnte panikartige Geldbehebungen in anderen schwachen Volkswirtschaften zur Folge haben. Sobald Griechenland als „zahlungsunfähig“ gilt, wird sich der Euro für kurze Zeit im freien Fall bewegen, ehe er sich bei einem Wechselkurs von 1:1 gegenüber dem US-Dollar einbremst.

Millionen Menschen demonstrieren in den Straßen von Athen. Seit drei Monaten haben Beamte keine Gehälter mehr bekommen, seit drei Monaten werden auch keine Pensionen mehr ausbezahlt; es gibt kaum noch Benzin, nur noch Grundnahrungsmittel sind halbwegs erschwinglich. Die meisten Klein- und Mittelbetriebe haben Konkurs angemeldet. Die Wirtschaft ist endgültig zusammengebrochen. Der Schwarzmarkt erwacht zu neuem Leben. Das Militär bewacht das Regierungsviertel.

Trotzdem steht das gesamte Parlament geschlossen hinter Ministerpräsident Papandreou. Auch deswegen, weil niemand freiwillig den Staatsbankrott verwalten möchte. Papandreaou regiert teilweise mit Notverordnungen, pendelt zwischen Athen und Brüssel und ist in seiner Heimat auf die Hilfe des Militärs angewiesen.  Um die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und dem Militär in den Griff zu bekommen, wird vorübergehend eine nächtliche Ausgangssperre in der Hauptstadt Athen verhängt. Die älteste Demokratie Europas ist ins Wanken gekommen. Zehntausende Griechen fliehen in andere EU-Länder und versuchen dort irgendeinen Job zu bekommen, um in weiterer Folge Geld nach Hause schicken zu können.

Europa selbst hat die Kosten der Insolvenz Griechenlands klar und deutlich unterschätzt. Deshalb versucht man nun in Brüssel alles zu unternehmen, um Spanien und Portugal künstlich am Leben zu erhalten.  Nach der Talfahrt des Euro wird klar, dass sich die Arbeitslosigkeit in manchen EU-Ländern verdoppelt, die Teuerungsrate schießt in ganz Europa in die Höhe, der ganze Kontinent schlittert in eine tiefe Rezession, ehe kurz vor den amerikanischen Präsidentenwahlen auch die US-Wirtschaft wieder in tiefroten Zahlen versinkt. Obamas letzter Versuch das Ruder herumzureißen und den Arbeitsmarkt erneut mit einer 450 Milliarden-Dollar-Spritze zu beleben, scheitert.

In Österreich ergibt sich der Maßnahmenkatalog, den der Ministerrat nun verabschieden muss, fast von selbst. Die Wirtschaftsprognosen werden ständig nach unten korrigiert, die Regierung ist gezwungen dort einzusparen, wo die Kosten schon in den letzten Jahren explodiert sind: die Pensionen werden – nach einer heftigen Debatte über die Länge der Übergangsfristen – um bis zu 10 Prozent gekürzt. Gleichzeitig steigen die Sozialabgaben und der Selbstbehalt beim Arzt- und Krankenhausbesuch wird völlig neu geregelt und soll helfen die Finanzierung des Krankensystems endlich in den Griff zu bekommen. Der Sozialstaat, der schon seit Jahrzehnten auf unfinanzierbaren und somit holen Beinen steht, wird kräftig zusammengestutzt.

Neben Steuererhöhungen, die vor allem den Mittelstand treffen, kommt es auch zu Kürzungen beim Kinderbetreuungsgeld. Die Familienbeihilfe bleibt unverändert. Nur mit Hilfe von saftigen Studiengebühren, die auch zweckgebunden verwendet werden, wird sich der Universitätsbetrieb aufrechterhalten können. Diese Erkenntnis wird sich in Zeiten einer neuerlichen Rezession in allen Parteizentralen ein wenig leichter durchsetzen. Ob Österreich künftig ein Berufsheer besitzt oder nicht, wird letztendlich vom Rechenstift entschieden. Denn die Republik wird sparen müssen. Mehr als ihren Bürgern lieb ist und mehr als wir uns heute vorstellen wollen.

Meine größte Befürchtung ist aber, dass gerade in Zeiten einer tiefen Rezession, wenn also wirklich parteiübergreifendes Handeln notwendig ist, um den Menschen zu helfen und unsere Wirtschaft wieder in Schwung zu bekommen, dass selbst dann parteipolitisches Denken immer noch Vorrang haben wird. Einfach weil es Bestandteil der österreichischen Politiker-Seele ist.

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