30 Jan 2013, Afghanistan --- 1/30/2013 Chowkay, Kunar Province, Afghanistan Colonel Hayatullah Aktash, left, the commander of the 2nd Brigade of the 201st Corps, ANA, spoke to Kuchi elders at a school on the outskirts of the Chowkay district. The purpose of Col. Aktash's visit was to speak to the group about insurgent attacks coming from near their settlement (the Kuchi's are nomadic herders). --- Image by © Bryan Denton/Corbis

Afghanistan: Hingerichtet von den Taliban

Eine junge Frau wird in der afghanischen Provinz Parwan öffentlich hingerichtet. Ihr Tod soll die Ehre eines Taliban-Kommandeurs wiederherstellen. Die NATO-Truppen werden bis 2014 aus Afghanistan abgezogen. Lässt sich der Taliban-Vormarsch verhindern?

Der Fluss Ghorband ist die Lebensader der Provinz Parwan. Sie liegt nördlich von Kabul, nur eine Autostunde von der afghanischen Hauptstadt entfernt. Parwan zählt zu den fruchtbarsten Regionen in Afghanistan, weil große Mengen Schmelzwasser von den umliegenden Gebirgszügen jedes Jahr in die Täler herabstürzen. Viele wichtige Handelsrouten verliefen quer durch diese Region. Und im Norden, dort wo sich heute Turkmenistan erstreckt, verband sich die Nord-Süd-Handelsroute mit dem Ost-West-Verlauf der Seidenstraße.

Parwan hatte schon immer eine große strategische Bedeutung. Bis zum heutigen Tag. Nicht weit, 11 Kilometer südöstlich der Provinzhauptstadt Charikar, liegt nämlich die amerikanische Air Base Bagram. Innerhalb dieses US-Stützpunktes befindet sich das Militärgefängnis Bagram: Ein Internierungslager, wo mutmaßliche Terroristen, wie auch im Gefangenenlager Guantanamo (Bay Naval Base), ohne Anklage festgehalten werden können. Auf unbestimmte Zeit.

Der wichtigste US-Militärflughafen in Afghanistan ist ein ehemaliger sowjetischer Luftwaffenstützpunkt. Nach dem Abzug der Sowjetunion war hier die afghanische Luftwaffe stationiert, bis es den Taliban-Milizen gelang, weite Teile des Landes unter ihre Kontrolle zu bringen. Ende 2001 bombardierten die Vereinigten Staaten verbleibende militärische Ziele auf dem Gelände. Dies geschah im Rahmen der damals groß angelegten Luftangriffe der USA auf die Stellungen der Taliban. Der Stützpunkt Bagram hat mittlerweile die Dimension einer Kleinstadt erreicht. Laut Berichten einer amerikanischen Militärzeitung beherbergt die Basis insgesamt bereits etwa 20.000 Personen. Entlang der etwa 2,5 km langen Hauptstraße, dem sogenannten Disney Drive, säumen sich Geschäfte und Lokalitäten wie Burger King, Pizza Hut oder Dairy Queen.

Trotzdem sind die Taliban nicht wirklich aus der Provinz Parwan verschwunden. Gouverneur Abdul Basir Salangi hatte schon öfters indirekt eingestanden, dass einzelne Dörfer immer wieder von den Taliban kontrolliert werden. So auch das Dorf Kimchok, wo vor sieben Tagen rund 150 Männer zusammenkamen, um das Schicksal einer 22-jährigen Frau mitzuerleben. Laut Nachrichtenagentur Reuters hatte sie Beziehungen zu mehreren Taliban. Auch zu einem Kommandeur, dessen Ansehen nun wieder hergestellt werden musste:

Die 22-Jährige saß am Boden, abseits des steinigen Weges. Sie blickte geradeaus. Hinter ihr jubelten Dutzende Schaulustigen, als sich ein weiß gekleideter Mann der jungen Frau näherte. Er schießt ihr gezielt mit einer Automatikwaffe fünf Mal in den Hinterkopf. Sie kippt sofort zur Seite. Als sie bereits regungslos am Boden liegt, fallen weitere Schüsse. Insgesamt durchdringen neun Kugeln ihren Kopf und Körper.

Das Hinrichtungs-Video, das Reuters zugespielt wurde, dauert drei Minuten. Zwischendurch ist zu hören, dass diese Hinrichtung ein Befehl Allahs sei. „Allah warnt uns, keinen Ehebruch zu begehen, denn das ist falsch“, erklärt einer der Augenzeugen. Die Taliban haben mittlerweile dementiert, mit dieser Hinrichtung irgendetwas zu tun zu haben. Sabiullah Mudschahid, ein Sprecher der Taliban, erklärte: „Möglicherweise haben Dorfbewohner die junge Frau erschossen.“ Als die Taliban von 1996 bis 2001 in Afghanistan an der Macht waren, wurden Ehebrecher zu meist öffentlich hingerichtet.

Die internationalen Streitkräfte werden in zwei Jahren aus Afghanistan abgezogen sein. In der afghanisch-pakistanischen Grenzregion hat der Vormarsch der Taliban bereits jetzt begonnen. In Paktika, auf afghanischer Seite, und in Nordwasiristan, auf pakistanischer Seite, sind insgesamt 16 verschiedene Terrormilizen beheimatet.  Ihr Ziel ist es, am Endspiel in Afghanistan in irgendeiner Form beteiligt zu sein. In ihren Arsenalen lagern die NATO-Waffen, die während der vergangenen Jahre in Containern auf dem Weg nach Afghanistan gestohlen wurden.

Erst vor zwei Tagen wurde in Tokyo beschlossen, Afghanistan mit 16 Milliarden US-Dollar zu unterstützen. Sofern das Geld nicht doch in dunklen Kanälen versickert, soll es für mehr Arbeitsplätze und eine verbesserte Ausbildung verwendet werden. Die Taliban-Problematik ist damit nicht gelöst. Sofern ein Dialog mit den Taliban eine politische Lösung nach sich ziehen soll, die die militanten Kräfte halbwegs kontrolliert, dürfen wir vorweg einmal nicht zwischen „guten“ und „schlechten“ Taliban unterscheiden. Doch ist das wirklich möglich?

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